Pensionistenvertreterin Gerstorfer: “Was hat der Staat davon, wenn jemand bis 67 statt bis 65 arbeitslos ist?”

Vorsitzende des SPÖ-nahen Pensionistenverbands über das Antrittsalter, die spätere Frauenpension und die Inflationsanpassung.
Schwarzach Wer eine hohe Pension erhält, wird Kaufkraft verlieren. Die Regierung beschloss kürzlich, die Inflation bei Pensionen bis zu 2500 Euro voll abzugelten, darüber gibt es einen Fixbetrag von 67,50 Euro pro Monat. Für Birgit Gerstorfer, Präsidentin des österreichischen Seniorenrats und Vorsitzende des SPÖ-nahen Pensionistenverbandes, soll das eine Ausnahme bleiben, wie sie im VN-Interview betont. Sie warnt zudem davor, das Antrittsalter zu erhöhen.
Haben Sie das Verhandlungsergebnis zu den Pensionserhöhungen schon verdaut?
Birgit Gerstorfer Die volle Pensionsanpassung war nicht mehr realistisch. Aber 70 Prozent sind zufrieden. Bei den anderen 30 Prozent ist es zu einer Entwertung gekommen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, aber in den nächsten Jahren sicher wieder proaktiver bearbeiten.
Es ist nichts Außergewöhnliches derzeit, dass unter der Inflation abgeschlossen wird. Bei den Metallern war es so, auch bei den Beamten.
Gerstorfer Ja, das ist richtig, aber keine dieser Gruppen hat es zweimal tun müssen. Es ist ein Unterschied, ob der Krankenversicherungsbeitrag auch deutlich anwächst. Dadurch wird die Pension niedriger. Und das macht eine Zielgruppe zur Ausnahme. Das sind 2,7 Millionen Personen, davon beziehen 2,5 Millionen eine Pension.
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Der Grund für diesen Abschluss ist die angespannte Budgetsituation, ins Pensionssystem muss viel Geld zugeschossen werden. Ist das aktuelle System überhaupt noch zukunftsfit?
Gerstorfer Da bin ich mir ganz sicher. Das sieht man an neutralen Reports, wie den “Ageing Report” der EU, in dem wir im internationalen Vergleich sehr gut abschneiden. Man muss mit manchen Mythen aufräumen. Ja, es wird ein hoher Betrag zugeschossen, aber der teilt sich in viele Untergruppen. Das eine sind Beamtenpensionen. Das andere sind Bezuschussungen zu ASVG-Pensionen, aber auch zu anderen. Das Geld für die ASVG-Pensionen ist prozentual am wenigsten, verglichen mit den Selbstständigen zum Beispiel. Dazu kommen viele Ersatzleistungen. Man muss schon auf die Kostenwahrheit achten.
Sollen die Gruppen zusammengelegt werden und alle eine Pension aus einer Hand erhalten?
Gerstorfer Man kann die Diskussion schon führen. Wichtig ist, dass es eine gute Versicherung gibt. Das Geld geht ja über den Konsum wieder zurück in die Wirtschaft. Und wir reden nie darüber, dass die ältere Generation enorm viel Ehrenamt leistet. Wir reden von einem ungefähren Wert von 6,6 Milliarden Euro. 2,5 Milliarden Euro Care-Arbeit, und das ohne einer Gegenleistung in Form einer Bezahlung. Darum wehren wir uns vom Pensionistenverband auch sehr gegen eine Anhebung des Antrittsalters. Was heißt das für die Kinderbetreuung, für die Pflege in Familien?
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Ob in der Pflege, im Gesundheitswesen oder bei den Pensionen, oft wird über Geld diskutiert. Werden ältere Menschen vor allem als Kostenfaktor gesehen?
Gerstorfer Menschen tun etwas, wenn sie in Pension gehen. Sie hören nicht auf, zu leben. Sie gehen einkaufen, engagieren sich, machen Ausflüge, betreuen ihre Enkelkinder, konsumieren. Das darf man nicht vergessen.
Das Frauenantrittsalter wird schrittweise angehoben. Gibt es genug Arbeitsplätze?
Gerstorfer Eindeutig nicht. Es ist für Menschen über 55 unglaublich schwierig, wieder eine Beschäftigung zu finden. Der Arbeitsmarkt für Ältere ist derzeit nur offen, wenn man entsprechende Förderangebote mitliefert.
Wie kann das geändert werden?
GerstorFER Man muss die Bereitschaft bei den Betrieben stärken. Dazu zählen natürlich Anreizsysteme. Was übrigens derzeit kein Thema ist: Die diskutierte Anhebung des Pensionsantrittsalters wird auf dem Rücken der Bezieher von niedrigen Einkommen ausgetragen. Sie haben eine geringere Qualifikation, was den Wiedereinstieg erschwert, wenn sie mit 55 arbeitslos werden. Und sie haben eine niedrigere Lebenserwartung. Was hat der Staat davon, wenn jemand bis 67 statt bis 65 arbeitslos ist?