Große Debatte ums Kleingeld

Eine neue Trinkgeld-Regelung bringt Klarheit, sorgt aber für politischen Streit.
Wien Am Donnerstag wurden im Nationalrat zwei kontrovers diskutierte Themen behandelt: die Nichtanpassung der Pensionen und die Neuregelung der Trinkgelder. Letztere bringt erstmals österreichweit einheitliche Pauschalen – bisher galten unterschiedliche Regelungen je nach Bundesland und Branche. Laut Gewerkschaft vida war das bisherige System unübersichtlich, fehleranfällig und für Beschäftigte schwer nachvollziehbar.
“Es gibt nun Rechtssicherheit für Betriebe und Mitarbeitende, und die Zeiten der teils existenzbedrohenden Nachforderungen sind vorbei. Als Gastgeber bin ich überzeugt: Die völlige Abgabenfreiheit von Trinkgeldern wäre die fairste und einfachste Lösung gewesen – aber mit dieser Regelung haben wir zumindest eine Basis, auf der sich gut arbeiten lässt”, sagt Gastronomiesprecher und Koch Mike P. Pansi den VN. Die Branche hätte sich eine raschere Lösung und vor allem eine völlige Abgabenfreiheit von Trinkgeldern gewünscht, ergänzt Pansi.
“Dennoch: Mit den nun beschlossenen Pauschalsätzen und der damit verbundenen Rechtssicherheit ist ein wichtiger Schritt gelungen”, sagt der Vorarlberger Gastronom. “Kritisch sehen wir allerdings, das der Tourismus zwar eine Vorreiter-Branche spielt”, sagt er. In anderen Sparten gebe es nach wie vor einen Fleckerlteppich, weit entfernt von einer transparenten bundesweiten Lösung.
Heftige Kritik kam von der FPÖ im Nationalrat am Donnerstag. Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch sprach von einer “massiven Belastung” vor allem für Kellnerinnen und Kellner im Niedriglohnsektor. Auch FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm zitierte Stimmen aus der Gastronomie, die von einer “Sauerei” sprechen würden. Josef Muchitsch (SPÖ) konterte, die FPÖ habe in ihren Regierungsjahren selbst keine Maßnahmen gesetzt, “so wichtig kann das Thema der Partei also nicht sein”.
Neos akzeptierten Kompromiss
SPÖ, ÖVP und die Grünen lobten hingegen die neue Regelung. Sie bringe mehr Transparenz, Rechtssicherheit und beende rückwirkende Prüfungen. Für Betriebe sei das ein Vorteil. Die neuen Pauschalen richten sich nach Branche, Tätigkeit und Arbeitszeit. Für das Hotel- und Gastgewerbe wurde ein Stufenmodell vereinbart: 65 Euro monatlich ab 2026, 85 Euro ab 2027 und 100 Euro ab 2028 – jeweils als Obergrenze. Wer weniger Trinkgeld erhält, muss die Pauschale nicht beanspruchen. Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) betonte, das System bleibe freiwillig.
Der Regierungspartner Neos zeigte sich zum Teil kritisch gegenüber der Einbeziehung von Trinkgeldern in die Sozialversicherung, akzeptierte jedoch den Kompromiss. “In einer idealen Welt käme die Leistung direkt beim Arbeitnehmer an”, so Michael Bernhard.
Transparenz bei Kartenzahlung
Die Gewerkschaft vida lobte die Reform: Trinkgelder bleiben steuerfrei, werden aber künftig einheitlich bei Pension, Kranken- und Arbeitslosengeld berücksichtigt. “Ein echter Fortschritt für Beschäftigte in Gastronomie und Hotellerie”, sagte vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit. Auch bei bargeldlosen Zahlungen gilt künftig volle Transparenz: Arbeitgeber müssen Auskunft geben, Beschäftigte können bis zu drei Jahre rückwirkend einsehen, wie viel Trinkgeld via Karte eingegangen ist und wie es verteilt wurde. “Damit landet das Trinkgeld dort, wo es hingehört – bei den Beschäftigten und nicht in der Firmenkasse”, sagt Hebenstreit.
Pensionsanpassungen
Auch beim Thema Pensionen wurde hitzig debattiert. Belakowitsch forderte erneut eine Anpassung “aller Pensionen” an die Inflation. Muchitsch plädierte für “Ehrlichkeit und Sachlichkeit”. Konkret wird 2026 die Inflation nicht für alle Ruhensbezüge abgegolten werden, sondern nur für jene bis 2500 Euro. Darüber gibt es einen Fixbetrag von 67,50 Euro im Monat. Ein weiterer Beschluss betrifft die Weiterbildungshilfe, die die bisherige Bildungskarenz ersetzt. Unter anderem wird es nicht mehr möglich sein, mit der Bildungskarenz an eine Elternkarenz anzuschließen.