Pracht und Exzentrik in Versailles

Kultur / 20.10.2025 • 11:13 Uhr
Das groß besetzte Orchester war in Hochform.
Das groß besetzte Orchester war in Hochform.Wolfram Schurig

Concerto Stella Matutina brillierte mit französischer Barockmusik.

Götzis Man muss es einfach sagen: Im Jahr des zwanzigjährigen Bestehens des Vorarlberger Barockensembles jagt ein Festkonzert das nächste. Fiktiver Schauplatz am vergangenen Samstag in der Kulturbühne AMBACH in Götzis war Versailles, das prunkvolle Schloss der französischen Könige nahe Paris. Was deren Hofkomponisten zur Unterhaltung der Herrscher und zu deren kultureller Machtdemonstration aufs Notenpapier warfen, erklang nun dreihundert Jahre später als prächtiges und abwechslungsreiches Défilée unterschiedlichster Stücke. Das raffiniert zusammengesetzte Programm unter dem Titel „Le Divertissement Royal de Versailles“ reichte von Suiten aus Opern von Lully und Rameau über Militärmusik von Philidor und Tafelmusik von Delalande bis zu Rebels höchst exzentrischer Symphonie über die vier Elemente.

Dirigent und Maître de plaisir zugleich war der weltberühmte Oboist Alfredo Bernardini, ein alter Freund von CSM, der mit der Oboe am Mund oder in der Hand das Orchester leitete und das Konzert humorvoll und kundig moderierte. Bei der Zugabe lieferte er auch noch ein Kabinettstück ab, als er Rameaus Musik mit Mimik und Gestik komisch kommentierte. Von Anfang an spürte man die Sympathie zwischen ihm und dem Ensemble, eine tiefe Verbundenheit und Freude am gemeinsamen Musizieren. Dass hinter dem brillanten Konzert harte und anstrengende Probenarbeit steckt – alles wird stehend gespielt – soll auch einmal gesagt werden.

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Wolfram Schurig

Festliche Trompetenklänge leiteten Jean Baptiste Lullys Suite aus der Oper Alceste ein, die mit unterschiedlich besetzten Sätzen faszinierte: u. a. einer lustigen Matrosenweise mit Geige, Gitarre und Piccolos, einem Trauermarsch mit Trommeln, einem „Höllenfest“ mit von Orchestermitgliedern überzeugend produziertem teuflischem Gelächter und speziellen Effekten mit einer Windmaschine und Echos. In André Philidors Schlachtengemälde mit Pauken, Trompeten, Oboen und Fagotten sagte Bernardini die verschiedenen Teile an, bis zur „Victoire“ mit triumphierenden Trompeten und wirbelnden Pauken. (Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass die Soldaten bis ins 19. Jahrhundert mit Musik in die Schlacht getrieben wurden, z. B. 1866 die Österreicher gegen die Preußen mit dem Radetzkymarsch.) Zivilisierter ging es in Michel Delalandes Suite zu einem königlichen Souper zu, von denen er Hunderte komponiert hat, apart gewürzt mit Blockflötenduos und Schellentrommeln.

Nach der Pause dann ein Schock für alle, die das Stück nicht kannten: Zu Beginn von Jean-Féry Rebels „Les Éléments“ erklingen alle Töne der Tonleiter gleichzeitig, um in einer krassen Kakophonie das Chaos darzustellen, aus dem die vier Elemente und zuletzt die Liebe aufsteigen; bezaubernd der Satz mit dem Vogelgezwitscher. Alles gelang sehr plastisch, farbig und springlebendig. Jean Baptiste Rameaus Suite aus der Oper Les Boréades faszinierte mit extravaganten Besetzungen, z. B. dem Einsatz eines Woodblocks, einer Art hölzernem Klopfinstrument. Das mit dreißig Mitgliedern groß besetzte Orchester war in Hochform, spielte präzis und trotzdem beschwingt, mit fein ausgearbeiteten Details und in großen Linien. Eine Erwähnung verdient der Schlagwerker Stefan Greussing, der nicht nur die Pauken und Trommeln mit Gefühl und Energie schlug, sondern auch ein Tamburin, ein Triangel und den Woodblock, und dazu noch Vogelstimmen und Windgeräusche erzeugte. Mit dieser Aufführung wäre Le Concert de l’Étoile du Matin, wie es sich dort wohl genannt hätte, sicher auch in Versailles gut angekommen.