„Wohlstand – wie weiter?” hieß es in Hittisau

VN / HEUTE • 10:50 Uhr
Referentinnen und Referenten stellten sich abschließend der Diskussion mit dem Publikum.
Referentinnen und Referenten stellten sich abschließend der Diskussion mit dem Publikum.Erwin Moosbrugger

Expertinnen und Experten diskutierten bei den Landgesprächen über Facetten des Wohlstands.

Hittisau Bei den 8. Landgesprächen in Hittisau beleuchteten Fachleute und erfahrene Praktiker aller Altersgruppen mit teilweise sehr unterschiedlichen Sichtweisen vor 380 Besucherinnen und Besuchern das Thema „Wohlstand – wie weiter? Worauf es in Zukunft ankommt“. In seiner Begrüßung dankte Bürgermeister Gerhard Beer den Landgespräche-Organisatoren Markus Faißt, Herman Nenning und Johann Steurer, die das aktuelle Thema aus der Mitte der Dorfgemeinschaft aufgegriffen hatten.

380 Besucherinnen und Besucher nahmen an der Tagung teil.
380 Besucherinnen und Besucher nahmen an der Tagung teil.

Sackgasse des Immer-mehr

Der Schweizer Philosoph und Buchautor Ludwig Hasler sprach von einer „Midlife-Krise der Moderne“, die viele ihrer Fortschrittsträume realisiert hat, und nun etwas ratlos fragt, ob es das denn nun gewesen sei. Er empfiehlt, Wohlstand mit Persönlichkeit zu füllen. Jeder könne in seiner kleinen Welt etwas ausrichten und diese von innen her bereichern und beseelen. „Das Interesse am Menschen verschwindet mit zunehmendem Wohlstand in der Sackgasse des Immer-mehr“, so Hasler. Warme, freundliche und verlässliche Beziehungen unter den Menschen sowie ehrliches Interesse am Anderen können das Leben im Dorf bereichern.

Interessante Referate: Matthias Sutter, Clemens Götz und Ludwig Hasler.
Interessante Referate: Matthias Sutter, Clemens Götz und Ludwig Hasler.

Matthias Sutter, Direktor am Max-Planck-Institut in Bonn, zitierte Daten aus der verhaltensökonomischen Forschung. Der Mensch vergleicht sich mit anderen und strebt über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus nach einem immer höheren materiellen Wohlstand, um sich von anderen abzuheben.

Wirtschaftsforscher Matthias Sutter referierte über Einkommensverteilung und Gerechtigkeitsvorstellungen.
Wirtschaftsforscher Matthias Sutter referierte über Einkommensverteilung und Gerechtigkeitsvorstellungen.

Zivilcourage gefragt

Altbürgermeister Clemens Götz aus Althengstett bei Stuttgart zeigte anhand von Beispielen auf, wie es in einer unzufriedenen und polarisierten 8000-Einwohner-Gemeinde gelingen konnte, trotz hohem Wohlstand den Gemeinsinn zu stärken. Die Unzufriedenheit in der Gesellschaft wächst. Nur wenige ziehen wirklich Konsequenzen aus dem, was sie als falsch erkannt haben. Diese Menschen wollen nicht tatenlos zuschauen und haben den Mut, sich den herrschenden Zuständen zu widersetzen.

Für Lara Hagen stehen nicht-materielle Werte im Vordergrund.
Für Lara Hagen stehen nicht-materielle Werte im Vordergrund.

Der Soziologe Professor Ferdinand Sutterlüty hat mit einigen von ihnen gesprochen und zitierte aus seinem Buch „Widerstehen. Versuche eines richtigen Lebens im falschen“, in dem das Thema Wohlstand anhand von acht Fallportraits behandelt wird. Im Gespräch mit Kriemhild Büchel-Kapeller, welche die Tagung souverän moderierte, plädierte er für Zivilcourage: „Nicht nur sagen, man sollte/könnte, sondern es auch tun.”

Prof. Ferdinand Sutterlüty zitierte ein Fallbeispiel aus seinem Buch.
Prof. Ferdinand Sutterlüty zitierte ein Fallbeispiel aus seinem Buch.

Zukunftsszenarien

Vier Zukunftsszenarien mit der Perspektive 2075 entwarfen die Wirtschaftsstudentin Lara Hagen und die Landschaftsarchitektin Emilie Stecher, beide vom Club Alpbach Vorarlberg. Für sie stehen nicht-materielle Werte im Vordergrund wie Gemeinschaft, Weltoffenheit, Kultur, Nachhaltigkeit und Sicherheit. Sie plädierten für eine neue Definition von Wohlstand, die nicht nur Wirtschaftswachstum umfasst. Die abschließende Diskussion klang mit dem Fazit aus: Die Verbesserung der Welt beginne im Kleinen, zwischen Menschen im Dorf. ME

Junge Perspektiven auf Wohlstand und Zukunft in der Region zeigten Lara Hagen und Emilie Stecher auf.
Junge Perspektiven auf Wohlstand und Zukunft in der Region zeigten Lara Hagen und Emilie Stecher auf.