Alte Debatte, neues Gesetz zum Kopftuchverbot für Mädchen

Das Kopftuchverbot für Schülerinnen soll diesmal halten – doch Experten zweifeln an seiner Verfassungstreue.
Wien Es ist der meistkommentierte Begutachtungsentwurf dieser Legislaturperiode: Mehr als 550 Stellungnahmen gingen zum geplanten Kopftuchverbot für Mädchen bis zur achten Schulstufe ein – von Institutionen bis zu Privatpersonen. Der Tenor fällt überwiegend kritisch aus.
Rechtliche Zweifel kommen aus dem SPÖ-geführten Justizministerium. Der Entwurf dürfte am Gleichheitsgrundsatz scheitern, da er erneut nur das islamische Kopftuch betrifft. Zwar ist nun von einem “Ausdruck einer ehrkulturellen Verhaltenspflicht” die Rede, doch fehlt eine klare Definition. Ohne diese sei die Strafbarkeit schwer durchsetzbar. Auch fehle eine nachvollziehbare Begründung – etwa Zahlen zu betroffenen Schülerinnen.
Ausweichen auf häuslichen Unterricht
Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) nennt das geplante Gesetz einen “eklatanten Widerspruch” zu Religionsfreiheit, Gleichbehandlung und Elternrecht auf religiöse Erziehung. Die Bischofskonferenz warnt: Ein Verbot sei unverhältnismäßig und könne dazu führen, dass Eltern ihre Töchter in den häuslichen Unterricht abmelden – mit negativen Folgen für Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt. NGOs wie Amnesty International und die Bundesjugendvertretung (BJV) kritisieren die Annahme, Mädchen würden generell zum Kopftuch gezwungen.
Pflichtschullehrer und Psychologen dafür
Diejenigen, die es wohl im Alltag umsetzen müssten, senden vorsichtig positive Signale: Die Pflichtschullehrergewerkschaft begrüßt den Entwurf grundsätzlich in seiner Zielsetzung, die Selbstbestimmung von Schülerinnen zu stärken. Dadurch dürften jedoch keine “zusätzlichen Belastungen” für Schulen entstehen. Ebenfalls positiv sieht man das geplante Verbot unterdessen im Berufsverband der Österreichischen Psychologinnen und Psychologen (BÖP), es sei ein “Beitrag zu einer freien und selbstbestimmten Entwicklung”.
Die praktische Umsetzung ist für andere ebenfalls ein Thema: Problematisch finden etwa die Anwälte oder auch die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), dass die Regelung bis zur achten Schulstufe und damit fallweise auch für 15-, 16- oder 17-Jährige gelten soll. Ab 14 sind Jugendliche nämlich religionsmündig und das Verbot würde damit gegen deren Religionsfreiheit verstoßen. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) bemängelt zudem fehlende Klarheit, ob das Verbot nur im Unterricht, auf dem Schulgelände oder auch bei Schulveranstaltungen gelten soll. Das erschwere Sanktionen erheblich.
ÖVP will Beschluss per Verfassungsmehrheit
Zur Erinnerung: Schon unter der schwarz-blauen Bundesregierung von Sebastian Kurz (ÖVP) gab es einen Vorstoß. 2019 wurde das Verbot in der Volksschule beschlossen, das Gesetz aber 2020 vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) gekippt. Die Regelung ziele nur auf Muslime ab, was dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates widerspreche, lautete die Begründung. Diesmal soll es halten, betont Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP). “Die Gesetzgebung erfolgt im staatlichen Interesse des Kindeswohls. Und da brauche ich nicht die Zustimmung einer oder mehrerer religiöser Organisationen”, entgegnete sie am Freitag auf die Kritik.
Die ÖVP will das Verbot sofort mit Verfassungsmehrheit beschließen: “Wir wollen ein starkes Signal setzen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat, die diesen Grundsatz der Freiheit über jede parteipolitische Linie stellt”, sagt Integrationssprecher Ernst Gödl.
Unterstützung kommt von der SPÖ Burgenland. Sie pochte darauf, das Kopftuchverbot auf jeden Fall einzuführen. “Sollte das Verbot neuerlich nicht halten und vom Verfassungsgerichtshof gekippt werden, fordern wir den Beschluss eines solchen Verbots mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat, damit das Gesetz Verfassungsrang bekommt”, sagt Klubchef Roland Fürst.