Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Kinder ins Zentrum

Politik / HEUTE • 16:17 Uhr

Vielleicht nimmt die Regierung in Kauf, dass das Kopftuchverbot für Mädchen bis zur achten Schulstufe vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) gekippt wird; vielleicht ist es ihr nur wichtig, dass man am Ende sieht, dass sie sich um Symbolpolitik bemüht hat. Überfliegt man Stellungnahmen vom Verfassungsdienst des Kanzleramtes, der Liga für Menschenrechte oder auch der Rechtsanwaltskammer, gewinnt man jedenfalls den Eindruck, dass man sich im Bildungsministerium, aus dem der vorliegende Entwurf kommt, nicht genug angetan hat.

Und dass alles nichts hilft: Diesmal hat man zwar versucht, das Verbot anders zu begründen, in der Sache könnte es aber wieder, wie schon vor fünf Jahren, dazu kommen, dass es der religiösen und weltanschaulichen Neutralität widerspricht, weil es halt trotzdem nur eine Einzelmaßnahme gegen den Islam ist.

Frei nach FPÖ-Chef Herbert Kickl könnte man jetzt sagen, aber Recht habe der Politik zu folgen. Sprich: Wenn die Mehrheitsgesellschaft feststellt, dass muslimische Mädchen keine Kopftücher zu tragen haben, dann müsse das Verbot möglich sein. Punkt, aus, basta.

Selbstbestimmung kann nur dann glaubwürdig sein, wenn sie umfassend gemeint ist. Nicht nur in Bezug aufs Kopftuch.

Das unterschlägt jedoch, dass es fundamentale Rechte für alle gibt, über die sich Politik nicht hinwegsetzen darf. Daher wird beim geplanten Kopftuchverbot auch beteuert, dass es um den Schutz von minderjährigen Mädchen gehe: Gerade das Kopftuch sei Ausdruck ehrkultureller Verhaltensplicht und geschlechterbezogener Symbolzuweisung mit negativen Folgen für die Entwicklungsfreiheit der Betroffenen, heißt es in den Erläuterungen.

Dieser Ansatz wäre sogar gut. Er soll auch durch den Titel des Gesetzes zum Ausdruck kommen: „Stärkung der Selbstbestimmung von unmündigen Mädchen“. Wenn aber Ministerin Claudia Plakolm zum Beispiel ständig bloß von einer Antwort auf „radikalen Islam“ spricht, dann ist das unglaubwürdig.

Stärkung der Selbstbestimmung kann nur dann glaubwürdig sein, wenn sie umfassend gemeint ist. Es stellt Kinder ganz grundsätzlich in den Mittelpunkt. Und zwar mit dem Ziel, alles zu tun, damit sie frei, gut und eben selbstbestimmt aufwachsen können. Es geht gegen sämtliche Feinde davon vor.

Und natürlich sieht es Eltern, die ihren Nachwuchs (im schlimmsten Fall) bis zur Unkenntlichkeit verhüllen und damit in eine Rolle zwängen, die ein Leben lang zu ihrem Nachteil ist. Hier sind die Eltern bzw. Väter mit aller Konsequenz in die Pflicht zu nehmen, ihre Töchter gleich wie ihre Söhne durchs Leben gehen zu lassen; nicht nur ohne Kopftuch. Hier wird insbesondere über Schulen an der Selbstermächtigung der Töchter gearbeitet.

Ja und wenn einem der Schutz von Kindern und ihre Selbstbestimmung wirklich wichtig ist, dann kommt man nicht umhin, auch die Missbrauchsfälle in den Fokus zu nehmen, die seit Jahrzehnten erst nach jahrzehntelangem Schweigen und Vertuschen eingestanden werden; ob in der Kirche oder derzeit beim SOS Kinderdorf. Hier gibt es Handlungsbedarf: Wie kann das alles sein? Es ist ein Riesenverbrechen an Kindern; es nimmt lebenslanges Leid in Kauf, und steht unter anderem dafür, dass sie als Persönlichkeiten nicht ernst genommen werden.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.