Vom Mythos der perfekten Maschine

VN / 20.11.2025 • 13:08 Uhr
Die Autorin Martina Heßler vermittelte prägnant das Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine
Die Autorin Martina Heßler vermittelte prägnant das Spannungsfeld zwischen Mensch und MaschineMonika Bischof

Martina Heßler präsentierte ihr Buch “Sisyphos im Maschinenraum” im Theater am Saumarkt

Feldkirch Die “Tangenten”-Programmschiene des Theaters am Saumarkt unter der Leitung von Obmann Peter Bilger bietet in ihren Abendveranstaltungen stets spannende Impulse zu “Fragen der Zeit”. Dies war vor Kurzem auch wieder der Fall, indem mit Martina Heßler erneut eine hochkarätige Referentin gewonnen werden konnte. Sie ist Historikerin und Professorin für Technikgeschichte an der TU Darmstadt. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit der Kulturgeschichte der Technik, mit der Ding- und Designgeschichte sowie mit der Geschichte und Gegenwart des Mensch-Maschine-Verhältnisses. In ihrem Vortrag mit anschließender Diskussion präsentierte sie ihr neuestes Buch “Sisyphos im Maschinenraum. Zur Geschichte fehlerhafter Menschen”. Ihr Buch passt bestens in das aktuelle Zeitgeschehen, indem es Fragestellungen rund um das Spannungsverhältnis von Mensch und Maschine thematisiert.

Tangenten-Obmann Peter Bilger diskutierte eindrucksvoll mit Martina Heßler
Tangenten-Obmann Peter Bilger diskutierte eindrucksvoll mit Martina Heßler

Begrenztheit der Menschen

“In Martina Heßlers Buch geht es ganz zentral um die Fehlbarkeit von Menschen und Technologien”, sagte Walter Müller bei seiner gekonnt moderierten Einführung. Irren sei zutiefst menschlich, man fange nach einem Fehler einfach wieder von vorne an. Er verwies zudem auf den Widerspruchsgeist der Menschen: “Jeder von uns in fortgeschrittenem Alter erlebt, dass dem Körper Grenzen gesetzt sind. Wir begrenzten Menschen wären aber nicht Menschen, wenn wir nicht revoltierten und versuchten, den Rahmen unserer Möglichkeiten so weit es eben geht zu erweitern.” Die Technik sei dabei die Geburtshelferin der Innovationen in Bereichen der Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und nicht zuletzt in der unmittelbaren Lebenswelt: “Ein Haushalt ohne Technik: Fehlanzeige! Und ein Jugendlicher ohne Smartphone oder Tablet im Rucksack: Undenkbar!” Maschinen haben in den beiden vergangenen Jahrhunderten nahezu alle manuellen und geistigen Tätigkeiten erleichtert oder gar abgenommen. So wurden Maschinen auch bald als dem Menschen überlegen wahrgenommen. “Sie sind, das wissen sie selber auch aus ihrer Erfahrungswelt, schneller, effizienter und zuverlässiger. Abgesehen davon sind sie nie schlecht gelaunt und werden auch bei hoher Belastung nicht müde. Und wenn sie Schrott sind, werden sie ausgewechselt”, zählte Walter Müller auf.

Moderner Sisyphos

Diesem Mythos der Unfehlbarkeit rückt jedoch Martina Heßler auf den Leib. Sie stimme dabei kein Hohelied auf menschliche Eigenschaften wie Intuition, Flexibilität oder die Fähigkeit zur Empathie an, sondern erforsche die Denkfigur, dass die Maschine den Menschen übertreffe und somit ersetze. “Heßlers Befund ist nicht, dass die Menschen in diese Konkurrenz einfach hineingeschlittert sind, sondern es so gewollt haben. Ab dem Einsetzen der mechanischen Moderne haben sie sich einem Takt unterworfen, der seither ihr Schicksal bestimmt”, so Walter Müller. Martina Heßler weist in ihrem Buch auf die Doppeldeutigkeit des Begriffs Fortschritt hin. Vom Zahnrad zum Hochleistungsmotor, von der Dampflok zum E-Mobil, von der mechanischen Rechenmaschine zum Computer finden sich großartige Beispiele menschlichen Erfindungsgeists. Gleichzeitig aber produziere die Fixierung auf die reine Technik keine bessere Welt, sondern Fehler, die erneute Innovationen erfordern. Die Autorin sieht die Entwicklung der KI als bemerkenswerte technikgeschichtliche Zensur: “Da sie auf der Verarbeitung von Datenmengen beruht, die die User konkret im Netz bereitgestellt haben, spiegeln die Resultate auch deren Fehler. Seither ist Irren nicht nur menschlich, sondern auch maschinell.” BI