“Ich will nicht, dass er das Haus verliert”  – Zwangsversteigerung in Hohenems

VN / 25.11.2025 • 20:30 Uhr
"Ich will nicht, dass er das Haus verliert"  – Zwangsversteigerung in Hohenems
Özkan Yahsi kam zur Besichtigung und hat sich durch Gespräche mit dem Besitzer entschieden, sich nicht an der Zwangsversteigerung zu beteiligen. VN/Grundner

Interessenten sehen meist die attraktiven Preise, aber nicht die oftmals belastende Situation der Besitzer.

Darum geht’s:

  • Haus in Hohenems soll zwangsversteigert werden.
  • Besitzer hofft noch auf eine Lösung.
  • Vorbehalte von Kaufinteressent wegen moralischer Bedenken.

Von Katja Grundner

Hohenems Der Hohenemser Hausbesitzer wartet im Regen auf die Interessenten. Sein Haus soll in einer Woche zwangsversteigert werden. Heute muss er die Besichtigung über sich ergehen lassen. Der 62-Jährige will lieber nicht mit Namen und Foto in den Medien erscheinen. Er ist überaus höflich, doch der Schmerz über die Situation ist aus seiner Stimme und seinen Äußerungen herauszuhören. Seit 25 Jahren wohnt er in dem Haus, in das er viel Herzblut gesteckt hat und nun vielleicht bald verlieren wird.

Letzte Hoffnung

Als Erster trifft an dem Dienstagmorgen Özkan Yahsi in der Herrenriedsiedlung ein. Der 49-Jährige aus Götzis arbeitet bei einer Bank und will die Liegenschaft im Auftrag interessierter Kunden und Freunde besichtigen. Während des Wartens kommt er mit dem Besitzer ins Gespräch. Dieser erzählt, dass das Haus offiziell auf seine Frau eingetragen ist, er mit ihr und zwei erwachsenen Kindern darin lebt und sie es erst vor drei Jahren um einen Anbau erweitert haben. Der Grund für die Zwangsversteigerung? „Die Firma meiner Söhne ist in Konkurs gegangen, und mein Haus war dafür als Hypothek hinterlegt.“ Yahsi betont, dass man Geschäftliches und Privates grundsätzlich immer trennen sollte. „Wenn die eigenen Kinder um Hilfe bitten, fällt ein Nein oft schwer“, erwidert der Besitzer. Aktuell hofft er noch, eine Einigung mit der Bank erzielen und sein Zuhause behalten zu können. Zeit dafür hat er bis zum 3. Dezember, dem angesetzten Versteigerungstermin im Bezirksgericht Dornbirn.

"Ich will nicht, dass er das Haus verliert"  – Zwangsversteigerung in Hohenems
Özkan Yahsi kommt bei der Hausbesichtigung mit dem Besitzer ins Gespräch. VN/Grundner

Besichtigung mit Beigeschmack

Der Gerichtsvollzieher Martin Schmuck trifft pünktlich mit einem Schlüsseldienst ein. Da der Hausbesitzer vor Ort ist, entlässt er den Schlüsseldienst gleich wieder. Dieser kommt zwar immer mit, aber nur selten zum Einsatz. Die meisten Interessenten treffen aufgrund der verwinkelten Gassen ein paar Minuten zu spät ein: circa fünf Paare und Familien. „Wie funktioniert das jetzt genau?“, fragen zwei von ihnen, für die eine Zwangsversteigerung Neuland ist. Immobilienvertreter sind diesmal offenbar nicht anwesend. Wie viele potenzielle Käufer zur Besichtigung erscheinen, variiere je nach Liegenschaft stark: Fünf seien zwar nicht viel, doch es gebe Besichtigungen mit noch weniger Personen und in anderen Fällen können es mehr als 30 sein.

"Ich will nicht, dass er das Haus verliert"  – Zwangsversteigerung in Hohenems
Der Termin mit dem gerichtlichen Sachverständigen, der auch die Fotos für die Ediktsdatei anfertigt, wird angekündigt, sodass Besitzer vorab private Gegenstände wegräumen können. Ediktsdatei

Die Besichtigung bekommt einen befremdlichen Beigeschmack, wenn man den Hintergrund des Besitzers kennt, der sein Zuhause nicht freiwillig verkauft. Die Schuhe werden respektvoll vor der Haustüre ausgezogen, doch trotz dieser Rücksichtnahme wirkt das Eintreten wie ein Eindringen. Private Gegenstände stehen in den Räumen und zeugen von Heimeligkeit. Ein Interessent sagt zum Besitzer, der durch die Räume führt: „Schön haben Sie es hier. Wirklich schön.“ Was normalerweise als Kompliment gelten würde, wirkt in dieser Situation wie ein Schlag in den Magen.

"Ich will nicht, dass er das Haus verliert"  – Zwangsversteigerung in Hohenems
Der Besitzer hat dem Haus über die Jahre hinweg eine persönliche Note verliehen.Ediktsdatei

„Es hängt wirklich sein Herzblut an dem Haus. Es tut mir sehr leid für ihn. Ich will nicht, dass er es verliert.“

Özkan Yahsi, Interessent

Kauf sei unakzeptabel

Während der Besitzer, Schmuck und die Interessenten das Haus besichtigen, bleibt Yahsi draußen zurück. Er hatte während des Wartens noch eine Zeit lang unter vier Augen mit dem Besitzer gesprochen und ist zu dem Entschluss gekommen, dass er aus moralischen Gründen nicht an dieser Zwangsversteigerung teilhaben möchte: „Es hängt wirklich sein Herzblut an dem Haus. Es tut mir sehr leid für ihn. Ich will nicht, dass er es verliert.“ Aber sei das nicht in allen Fällen so? „Es gibt auch Leute, denen es ziemlich egal ist, weil sie zum Beispiel noch andere Immobilien haben“, meint Yahsi. „Aber bei Fällen wie heute empfinde ich es als ein No-Go.“ Auch wenn er das Haus geschenkt bekommen würde, würde er es nicht annehmen. Yahsi und der Besitzer haben Nummern ausgetauscht. Er würde ihm gerne irgendwie helfen. Doch eine Woche ist nicht mehr viel Zeit.    

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Entwicklung der Zwangsversteigerungen in Österreich:

  • „SmartFacts Data Services“ zeigt, dass die Zahl der anberaumten Zwangsversteigerungstermine im Jahr 2024 in Österreich nach Jahren des kontinuierlichen Rückgangs um fast ein Drittel zulegte. Parallel dazu sank der Index der erzielten Erlöse auf ein Niveau, das an den österreichischen Markt vor etwa zehn Jahren erinnert.
  • Für 2025 war ein weiterer Anstieg der anberaumten Zwangsversteigerungstermine erwartet worden. Bereits Mitte August 2025 überstieg die Anzahl den im gesamten Jahr 2024 verzeichneten Wert. Die Erlöse verzeichnen weiterhin einen Rückgang, der aber deutlich langsamer geworden zu sein scheint.

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(VN)