„Rechne damit, dass Wölfe in Vorarlberg eindringen“

In Graubünden sorgen die Vierbeiner für Diskussionen. Sie haben schon Schafe gerissen.
Bregenz. Ende dieses Monats noch soll eine Vorarlberger Delegation aus Vertretern von Landwirtschaft, Alpwirtschaft, Wildbiologie, Jägerei und Naturschutz dem Kanton Graubünden einen offiziellen Besuch abstatten. Zweck: Erkundigungen über Erfahrungen mit Wölfen in Bergregionen. Im Calenda-Gebirge nämlich macht schon seit längerer Zeit ein Wolfsrudel von sich reden. Aufgrund des harten Winters wagten sich die Tiere von dort bis in die Rheinebene vor, überquerten Straßen und hielten sich in der Nähe von Siedlungsgebieten auf. Sie folgten dem Wild in tiefere Lagen. Ihr Geheul war deutlich wahrnehmbar. Im vergangenen Sommer rissen Wölfe auf der Alp Ramuz am Kunkelspass im Kanton St. Gallen acht Schafe. Die Landwirte waren schwer beunruhigt.
Landwirte skeptisch
„Wir rechnen mit der Ankunft von Wölfen in naher Zukunft auch in Vorarlberg“, sagt der Landes-Wildbiologe Hubert Schatz (47). Der Experte schätzt die Wahrscheinlichkeit eines Auftretens der Raubtiere in Vorarlberg auf über 50 Prozent ein. Er ist auch überzeugt davon, dass die Tiere von der Schweiz in den Raum Rätikon-Montafon, bei Gargellen, im Gauertal, beim Schlappiner Joch und/oder im Gebiet Nenzinger Himmel eindringen werden. Eine schöne, oder eine beängstigende Perspektive? „Für Naturschützer oder Biologen ist das eine schöne Nachricht. Für Landwirte vielleicht nicht so“, beurteilt Schatz die zu erwartenden Entwicklungen.
Maßnahmen
Für ihn ist vor allem eines klar: „Wenn der Wolf kommt, müssen wir herausfinden, wie wir am besten mit der Situation klarkommen. Wir müssen wissen: Welche Maßnahmen können wir zum Schutz von Nutztieren, die für den Wolf als Beute infrage kommen, ergreifen.“
Überlegungen dazu gibt es schon: Zum Beispiel den Einsatz von Herdenschutzhunden oder die Einrichtung von Koppeln. Über solche und andere Dinge möchten Schatz und Kollegen mit den „wolfserfahrenen“ Experten in Graubünden reden. „Schafe zum Beispiel kennen den Wolf nicht mehr. Die wären für ihn eine leichte Beute.“
„Bereicherung“
Dass der Wolf in unseren Breiten überhaupt wieder ein Thema wird, hat mit den europaweit effektiven Schutzmaßnahmen zum Erhalt der Spezies zu tun. „In großen Gebieten des italienischen Apenninengebirges hat man dem Wolf ideale Möglichkeiten zur Ausbreitung verschafft. Mit den Folgen, dass einige Tiere in die Schweiz auswanderten.“ Die Bevölkerung würde die Rückkehr des Wolfes zwiespältig sehen, weiß Schatz. „In größeren Kommunen, die weit weg vom Siedlungsgebiet des Wolfes sind, sprechen sich 90 Prozent der Bewohner für die Rückkehr des Wildtieres aus. In ländlichen Regionen, wo der Wolf auch vordringen und Schäden anrichten könnte, sieht das freilich anders aus.“ Schatz würde als Wildbiologe das Auftreten des so lange verschwundenen Raubtieres begrüßen. „Natürlich wäre der Wolf eine Bereicherung der biologischen Vielfalt. Genauso wie der Bär.“ Auch der könnte laut Schatz in Vorarlberg wieder ein regelmäßiger Besucher werden.
Wenn der Wolf kommt, müssen wir herausfinden, wie wir am besten mit ihm klar- kommen.
Hubert Schatz