Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Abgehoben und visionslos

Vorarlberg / 18.04.2013 • 18:28 Uhr

EU-Kommissar Oettinger, in früheren Zeiten Ministerpräsident (= Landeshauptmann) des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg, dann zu einer der wichtigsten Funktionen in Europa aufgestiegen, hat sich unlängst bei einer Tagung in Lech als kein besonderer Visionär gezeigt:

Nachdem das umstrittene „Fracking“, mit dem Schiefergas durch Einspritzen von Chemikalien aus der Erde gewonnen wird, in den USA zu einem gewissen wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen hat, müsse Europa nachziehen, meint er. Die Bodenseeregion, die er wahrscheinlich gut kennt, sei vielleicht nicht der geeignete Ort, aber sonst in Europa ließe sich die Technologie schon einsetzen.

Zum Glück gibt es immer mehr Gemeinden und Regionen, die zumindest eine Vision davon haben, dass die Zukunft nicht darin bestehen kann, die beständige Ausbeutung der Natur zu Lasten künftiger Generationen fortzusetzen oder gar zu intensivieren. Diese Körperschaften setzen auf Energieeffizienz, auf kurze Wege und die Nutzung erneuerbarer Energien. Sie zeigen visionslosen Köpfen an den Schaltstellen der Macht, dass es auch andere Wege gibt.

Visionslos sind im Übrigen auch die Protagonisten des sogenannten „Demokratie-Volksbegehrens“. Die Gruppe will allen Ernstes die Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Energie (neben Bildung, Gesundheit und Umwelt!) in die Bundeskompetenz übertragen. Eine Begründung liefern sie vermutlich deshalb nicht, weil es für einen solchen Unsinn keine geben kann.

Was durch diese blinde Zentralisierungswut bewirkt wird, zeigt uns die Äußerung von Energiekommissar Oettinger eindrücklich. Wer die noch zarten Pflänzchen der Energieautonomie, wie sie gerade auch in Vorarlberg wachsen, gänzlich ausrotten will, der soll sein Heil in der Zentralisierung suchen und hoffen, dass seine Region vom Fracking verschont bleibt.

Dass solche Entwicklungen dann noch von einer Gruppe unterstützt werden, die unter dem Schlagwort „mehr Demokratie“ antritt, ist besonders traurig. Wer dieses Volksbegehren unterstützen will, sollte sich darüber klar sein, dass es darauf abzielt, die Demokratie in den Ländern dadurch zu zerstören, dass diese ihre wichtigsten Kompetenzen verlieren. Wer immer für den Text verantwortlich sein mag, handelt nicht nur visionslos, sondern auch sehr abgehoben.

peter.bussjaeger@vn.vol.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
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