Tüchtige Lobbyisten
Nach der Richtlinie über die Wasserprivatisierung sorgt nun ein anderes geplantes EU-Gesetz mit einem eher unspektakulären Titel für helle Aufregung, nämlich die sogenannte Saatgutverordnung.
Die Agrarindustrie würde mit den geplanten neuen Vorschriften über die Saatgutanerkennung einen gewaltigen Erfolg erzielen: Um die amtliche Anerkennung als Saatgut zu erlangen, ist ein so aufwändiges und teures Verfahren notwendig, dass es sich wahrscheinlich nur die großen Unternehmen leisten könnten, weiterhin Saatgut zu produzieren. Die Folge wäre allerdings nicht nur eine Verdrängung der kleinen Unternehmen vom Markt, sondern auch der Verlust bestimmter Sorten, weil sich das Produzieren nicht mehr lohnt.
Die Unternehmen wollen nicht nur den europäischen Markt beherrschen. Sogenannten Schwellenländern wie Indien oder Brasilien sollen von den Industriestaaten Abkommen aufgezwungen werden, wonach sie die neuen Standards übernehmen müssten. Das hätte zur Konsequenz, dass sich das Saatgut für die Bauern in diesen Staaten verteuert und die meist unter schwierigen Verhältnissen arbeitenden Menschen gänzlich um ihre Existenzgrundlage gebracht würden.
Die Agrarindustrie, die dann den Markt dominieren würde, muss tüchtige Lobbyisten eingesetzt haben, damit die europäische Kommission einen solchen Verordnungsentwurf überhaupt ausarbeitet. Ein Lobbyist, wie es unser Ex-Minister Ernst Strasser war, wäre da sicherlich überfordert gewesen.
Oftmals ist das Wirken der Lobbyisten hinter solchen Gesetzesentwürfen gar nicht so leicht erkennbar. Vordergründig wird mit höheren Standards argumentiert, die zum Nutzen aller eingeführt werden sollen. Auch das Wort „Vereinheitlichung“ klingt in den Ohren vieler Menschen gar nicht so schlecht. In vielen Fällen bewirken höhere Standards allerdings, dass kleinere Unternehmen oder ehrenamtliche Organisationen die geforderten Qualitätskriterien nicht mehr erbringen können und aus dem Markt gedrängt werden. Das könnte auch einmal in einem gänzlich anderen Bereich wie etwa dem Rettungswesen der Fall sein.
Man sollte sich daher bei jedem neuen Gesetz fragen, wer wirklich einen Nutzen davon hat und ob die höheren Standards nicht doch nur ein vorgeschobenes Argument sind, um einen Markt beherrschen zu können.
peter.bussjaeger@vn.vol.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
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