Das Land der Beauftragten
Vergleicht man den Wirtschaftsstandort Österreich in internationalen Rankings, dann steht unser Land ganz passabel da: Nicht gerade an der Spitze, das ist in den meisten Fällen die Schweiz, aber doch irgendwo in den oberen Rängen. Das World Economic Forum hat uns dieses wie letztes Jahr auf Platz 16 von 148 untersuchten Staaten gereiht. Von „abgesandelt“ kann man da eigentlich nicht sprechen.
Schaut man sich das Ergebnis näher an, so geben einzelne Kriterien zu denken: Während wir uns in Sachen Infrastruktur und Energieversorgung im weltweiten Spitzenfeld befinden, liegt Österreich bei der Belastung durch staatliche Vorschriften auf dem schlechten 88. Platz. Gemeint ist damit der bürokratische Aufwand, der bei den Unternehmen durch die Gesetze und Verordnungen erzeugt wird.
Die Vorarlberger Industriellenvereinigung hat unlängst beklagt, dass jeder durchschnittliche Industriebetrieb eine Vielzahl von „Beauftragten“ einstellen muss, deren Aufgabe es ist, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu überwachen: Abfallbeauftragte, Umweltbeauftragte, Giftbeauftragte, Qualitätssicherungsbeauftragte, Brandschutzbeauftragte, Aufzugsbeauftragte, Gleichbehandlungsbeauftragte und Sicherheitsvertrauenspersonen, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Diese Beauftragten erfüllen alle zweifellos wichtige Aufgaben, aber wäre es nicht sinnvoll, ihre Aufgaben zusammenzufassen? Ist es wirklich notwendig, für jeden einzelnen Beauftragten eigene Rechtsvorschriften zu erlassen und Schulungen vorzuschreiben? Diese Gesetze und Verordnungen werden alle vom Bund erlassen und in den Ministerien ausgearbeitet. Dort wacht selbstverständlich jede Abteilung eifersüchtig über ihre Zuständigkeiten: die Giftsektion im Gesundheitsministerium ebenso wie die Abfallsektion im Umweltministerium oder die Gleichbehandlungssektion im Sozialministerium.
Übrigens: Die nächsten Beauftragten stehen uns allen schon ins Haus, allerdings diesmal in der Verwaltung selbst: Nach bestimmten Vorstellungen sollen demnächst Transparenzbeauftragte die Einhaltung der Informationsrechte der Bürger gewährleisten. Stellt sich nur noch die Frage: Welcher Beauftragte wird denn die vielen Beauftragten überwachen?
peter.bussjaeger@vn.vol.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
Die VN geben Gastkommentatoren Raum, ihre persönliche Meinung zu äußern.
Sie muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.
Kommentar