Die Torheit der Regierenden
Die amerikanische Historikerin Barbara Tuchman hat sich vor ungefähr 30 Jahren in ihrem Buch „Die Torheit der Regierenden“ mit der Frage befasst, weshalb sich die Politik immer wieder in letztlich ausweglose Situationen begibt, vor denen ihr jeder vernünftige Mensch abraten würde. Die Liste der Torheiten beginnt bei Tuchman mit dem Trojanischen Pferd und endet beim Vietnamkrieg.
Das Verhalten unserer beiden Regierungsparteien auf Bundesebene ist ein schönes Beispiel für die „Torheit der Regierenden“. Die Koalition lehnt einen Untersuchungsausschuss in Sachen Hypo Alpe Adria ab, obwohl dieser Fall geradezu typisch für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss wäre. Um den öffentlichen Druck ein bisschen zu mildern, soll nun an Stelle eines Untersuchungsausschusses eine unabhängige Untersuchungskommission unter der Leitung der angesehenen Juristin Irmgard Griss, der ehemaligen Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, treten. Auch angesichts der Tatsache, dass Frau Griss selbst einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss befürwortet, werden die Regierenden beides bekommen, eine Untersuchungskommission und einen Untersuchungsausschuss. Das Thema wird sie auf Jahre hinaus begleiten.
Unsere Regierenden hatten auch entgegen den bisher üblichen Gepflogenheiten entschieden, die zum damaligen Zeitpunkt etwa von 50.000 Bürgern unterschriebene Petition über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses möglichst schnell in einem Ausschuss abzulehnen, um sich der Sache zu entledigen. Sie haben in ihrer Torheit nicht nur eine unbezahlbare Werbung für die Petition gemacht, sodass sie mittlerweile von etwa 100.000 Menschen unterschrieben wurde. Der öffentliche Druck ist vielmehr mittlerweile so groß geworden, dass die Petition vorläufig nicht vom Netz genommen wird und weiterhin unterschrieben werden kann. Jetzt haben sie die Petition bis auf Weiteres am Hals.
Ich bin froh, dass in einigen Bundesländern Österreichs, in Salzburg, Tirol und nunmehr auch in Vorarlberg, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch von einer Minderheit im Landtag beschlossen werden kann. Das unterstreicht, dass zumindest jene politischen Systeme, die noch nahe genug am Bürger sind, lern- und reformfähig sind.
peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
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