Da ist viel mehr super als normal

Bei der Jet-Tankstelle in Dornbirn-Schwefel finden sechs Autisten Arbeit und Lebenssinn.
Dornbirn. Petra Girardi (48), Mutter des autistischen Christopher (22), verlässt sich bei ihrem bedingungslosen Engagement für ihren Sohn nicht einfach nur auf öffentliche Unterstützung. Damit ihr Christopher, aber auch andere autistische junge Menschen eine sinnvolle Beschäftigung erhalten, hat sie vor drei Jahren ein faszinierendes Privat-Projekt ins Leben gerufen. Sie pachtete die Jet-Tankstelle in Dornbirn-Schwefel. Dort wird den Kunden nicht nur die ganze Leistungspalette einer modernen Tankstelle geboten, sondern auch sechs Autisten eine abwechslungsreiche Betätigung. „Die Mühen und der große Aufwand haben sich gelohnt“, darf die in Höchst lebende Bregenzerwälderin heute mit Genugtuung feststellen.
Der Shop-Spezialist
„Sie räumen im Gelände auf, mähen den Rasen, füllen Wasser- und Ölbehälter auf, zählen die Münzen im Kaffeeautomaten, schaufeln im Winter Schnee“, zählt Sascha Wehinger (37), Christophers Betreuer, all die Tätigkeiten auf, welche die autistischen Mitarbeiter an der Tankstelle verrichten. Dabei haben sich einige zu richtiggehenden Spezialisten entwickelt. „Tobias etwa. Der ist ein Asperger mit großen Fähigkeiten. Tobias hat die Konzeption des Shops übernommen und weiß jederzeit ganz genau, welche Waren in welcher Menge wir in den Regalen haben.“ Ihr Sohn Christopher ist der Spezialist für die Waschanlage. Er gibt für die Kunden die Codes für die Inbetriebnahme der Anlage ein. Danach steht er meist selber während des Waschvorgangs im Waschraum. „Er weiß wo er stehen muss, damit er nicht nass wird“, sagt Mama Petra Girardi mit einem Anflug von Stolz.
Struktur wichtig
Autisten brauchen eine Struktur in ihrem Alltag. Kommt die durcheinander, führt das zumeist zu Problemen. „Aber Christopher hat es geschafft, mit gelegentlichen Änderungen der Routine zurechtzukommen. Das ging früher nicht“, erzählt Girardi. Aktuelles Beispiel: Die Waschanlage an der Tankstelle ist kurzfristig außer Betrieb. Christopher hat sich irgendwie damit abgefunden, obwohl er sich dauernd darin aufhält. Für sich selber wünscht der 22-Jährige dann und wann mehr Ruhe. „Zum Beispiel in der Früh. Da beansprucht er nun mehr Zeit für sich alleine“, weiß Sascha Wehinger und hat sich darauf eingestellt.
Verlässlich
An der Jet-Tankstelle konnten sich auch die „normalen“ Mitarbeiterinnen auf ihre „besonderen“ Kollegen bestens einstellen. „Wir haben das alle akzeptiert und keine Probleme mit ihnen“, erzählt Sabine Kurrent (46). So haben sich mittlerweile bereits Pärchen herausgebildet. Autistische Mitarbeiter mit bestimmten Vertretern des Hauptpersonals, die besonders gut miteinander können und daher gemeinsam Dienst machen.
Sehr dankbar ist Petra Girardi für die Unterstützung der Verantwortlichen von Jet. „Sie haben uns lediglich zur unbedingten Einhaltung aller Sicherheitsauflagen aufgefordert. Ansonsten stehen sie unserer Sache sehr positiv gegenüber.“ Girardi wünschte sich mehr Unternehmen wie Jet für die Beschäftigung autistischer Menschen. „Da gäbe es einen großen Nachholbedarf.“ Gleichzeitig betont sie die speziellen Vorzüge von autistischen Menschen: „Sie sind akribisch genau in ihren eingelernten Tätigkeiten. Dazu hundert Prozent verlässlich und vertrauenswürdig.“
Autistische Menschen arbeiten sehr akribisch und sind vertrauenswürdig.
Petra Girardi