Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Kein Fußballmatch

Vorarlberg / 31.07.2014 • 20:18 Uhr

Wer die Berichterstattung über einige öffentlich gewordene Justizfälle, wie unlängst gegen Josef S., den Teilnehmer an der Demo gegen den WKR-Ball in Wien, miterlebt hat, fühlte sich an die Fußballweltmeisterschaft erinnert: Übertragung aus dem Gerichtssaal mittels interaktivem Live-Ticker, die Userinnen und User quittieren jede Bemerkung des Richters, der Verteidigung oder des Staatsanwaltes mit Beifalls- oder Unmutsäußerungen und geraten schließlich über das Urteil außer Rand und Band. Dem Richter wird ein Besuch des Schwarzen Blocks gewünscht, seine Urteilsbegründung mit Buhrufen vergleichbaren Äußerungen kommentiert. Wie beim Fußballmatch halt auch.

Nun bildet die Prozessberichterstattung seit jeher ein zentrales Element des transparenten, von der Öffentlichkeit begleiteten Gerichtsverfahrens. Wenn die Öffentlichkeit zum Gerichtsverfahren gehört, wäre es im Zeitalter der „social media“ geradezu anachronistisch, das Internet aus dem Gerichtssaal zu verbannen. Trotzdem ist es ziemlich entbehrlich, Richter und Staatsanwälte als karrieregeil zu beschimpfen oder gar scheinheilig vor dem Schwarzen Block zu warnen. Die Akteure einer Gerichtsverhandlung sind häufig außerdem nicht nur Berufsjuristen, sondern auch Schöffen, Geschworene, Zeugen, die mit dem öffentlichen Druck vielleicht nicht immer umzugehen wissen.

Vollends überflüssig ist es aber, wenn sich auch noch die Politik einmischt: 2:2 endete das Match um Josef S., was die Aussendungen der Parteien betraf: Grüne und SPÖ kritisierten das Urteil, ÖVP und Freiheitliche begrüßten es.

Natürlich ist es legitim und angebracht, wenn Politiker darüber räsonieren, ob eine geltende Rechtslage beibehalten oder geändert werden soll und dazu auch aktuelle Gerichtsfälle zum Anlass nehmen. Das ist aber etwas anderes, als einem Urteilsspruch begeistert zu applaudieren oder kopfschüttelnd sein Missfallen kundzutun, wie es in den Presseaussendungen der Parteien geschehen ist. Damit wird – hoffentlich ungewollt, aber doch – ein erheblicher Druck auf die Justiz erzeugt, deren Unabhängigkeit in allen Sonntagsreden sonst so beteuert wird. Eine Gerichtsverhandlung ist eben doch kein Fußballmatch.

peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
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