Drei Wege
Wenn dieser Kommentar erscheint, wird die Abstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands schon entschieden sein. Ich tippe darauf, dass die Schotten nach den letzten Versprechungen Londons auf eine noch komfortablere Autonomie und noch größere finanzielle Eigenständigkeit im Falle eines Verbleibs im Vereinigten Königreich die Unabhängigkeit ablehnen und sich nicht den Unwägbarkeiten einer Abspaltung aussetzen werden. Wie auch immer die Abstimmung ausgeht: Die Briten haben die Argumente gegen die Abspaltung auf den Tisch gelegt, aber den Separatisten trotzdem eine faire Chance gegeben.
Autonomieversprechungen gibt es nunmehr auch in der Ukraine, nämlich gegenüber jenen Regionen, die nicht mehr unter der Kontrolle der Zentralgewalt in Kiew stehen. Die ukrainische Regierung hat gezeigt, wie man es nicht machen darf: Obwohl es ein berechtigtes Anliegen der überwiegend russischsprachigen Bevölkerung in den betreffenden Regionen nach Autonomie gab, wurde so lange nicht reagiert, bis die Separatisten mit russischer Unterstützung die Oberhand gewannen. Danach hat sich die Ukraine auf einen Bürgerkrieg eingelassen und erst jetzt ernsthafte Kompromissbereitschaft gezeigt. Dieses Versagen stellt übrigens auch der Europäischen Union, die die Ukraine massiv unterstützt, kein gutes Zeugnis aus.
Es gibt noch ein drittes Beispiel, nämlich Spanien mit der abtrünnigen Region Katalonien. Die katalanische Regierung in Barcelona will im November über die Unabhängigkeit des wohlhabendsten Teils Spaniens abstimmen lassen. Die Zentralregierung in Madrid betrachtet die Abstimmung als verfassungswidrig, womit sie vielleicht Recht hat. Trotzdem wird das Referendum aller Voraussicht nach stattfinden. Madrid würde gut daran tun, die Briten als Vorbild zu nehmen und den separatistischen Bestrebungen mit Argumenten statt mit der Drohung zu begegnen, dass das Ergebnis der Abstimmung nicht akzeptiert würde. In letzter Konsequenz müsste eine solche Abspaltung mit Gewalt unterdrückt werden, was für ein Mitglied der EU keine Alternative sein kann.
Von den drei Wegen, die die Regierungen in London, Kiew und Madrid im Umgang mit Separatismus beschreiten, ist meines Erachtens nur der britische Weg vernünftig. Hoffen wir, dass auch die anderen Staaten diesem Beispiel folgen werden.
peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
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