Vom Fenster aus die Lkw streicheln

Leben in Lärm und Dreck. L-203-Anrainer haben nur noch wenig Kraft zur Hoffnung.
Lustenau. Ein gutes Dutzend hat sich beim Engel-Kreisverkehr eingefunden. Wie schon so oft. Sie schreien einander an. Wie immer, wenn sie dort stehen und ein Lkw nach dem anderen vorbeidonnert. Sehr viele von ihnen sind 70 oder älter.
Sie erzählen ihre Geschichten über das Leben an der Straße. Es sind keine schönen Geschichten.
Keiner kommt raus
„Es wird immer ärger“, klagt Elfriede Niederbacher (75). „Nicht nur der Lärm macht dich fertig. Sie parken dich mittlerweile einfach ein. Und wenn du wegfahren willst, lässt dich keiner raus. Das passiert mir fast jeden Tag.“ Nein, Elfriede Niederbacher will nicht mehr über eine mögliche Entlastungsstraße reden. Ihre Hoffnungen darauf wurden Jahr für Jahr geringer.
Dass es mittlerweile viele Jahre sind, verdeutlicht Otto Fitz. „Unsere Kinder sind jetzt 40. Wir haben uns gegen diesen Verkehrswahnsinn schon gewehrt, als sie geboren wurden. Und was ist passiert? Nichts!“
Der Parker
Einer der Anrainer zeigt Richtung Oskis Schnellimbiss. „Schau dir das wieder an“, sagt der Mann. „Da steht ein Lkw mitten auf dem Gehsteig. Straßenseitig traut sich dort kein Radler mehr vorbei, und auf dem eigentlichen Radfahrstreifen ist nicht einmal mehr Platz für einen Kinderwagen. Das ist doch einfach eine Frechheit.“ Tatsächlich steht das Schwerfahrzeug mit polnischem Kennzeichen fast eine halbe Stunde dort. Das regt sogar Bürgermeister Kurt Fischer (51) auf. Er ruft die Polizei. Fast im selben Moment kommt der Fahrer vom Schnellimbiss, steigt ungerührt in seinen Brummi und fährt weg. Als er sich auf Höhe der Anrainer befindet und wegen des Staus stehenbleiben muss, geht einer der Gruppe zum Fahrerhäuschen und liest ihm die Leviten. Dem Lenker scheint das egal zu sein.
Auch wenn der eine oder andere auch verkehrsstrategische Fehler ortet, am allgemein anerkannten Grundproblem ändert das in den Augen aller Anwesenden nichts: Die fehlende Entlastungsstraße, die sie von den endlos langen Kfz-Kolonnen befreien sollte.
Die wehrhafte Wilma
Jemand hat die Zahl der Schwerfahrzeuge gezählt, die allein während des Treffens vorbeigefahren sind. „Es waren bis jetzt 25“, sagt der Mann. „Und jetzt soll alles noch einmal zehn Jahre dauern? Wenn überhaupt etwas kommt? Wer will daran schon glauben? Und wer von uns soll das noch erleben?“ Die das sagt, ist Wilma Brüstle, mittlerweile 88, aber immer noch wehrhaft und resolut. Sie ist eine Kämpferin der ersten Stunde, wohnt Zeit ihres Lebens direkt an der Lustenauer Hof-Kreuzung.
Dort kann sie aus den Fenstern im ersten Stock die Lkw-Planen beinahe streicheln. „Um 4.10 Uhr kommen die ersten. Die fahren zum großen OMV-Tanklager und fassen dort Treibstoff aus. Dann kommen die anderen Lkw. Und zum Schluss die Pkw-Lawine des Berufverkehrs“, beschreibt die alte Frau einen typischen Morgen vor ihrer Haustür. Wobei so ein Morgen oft ohne Unterbrechung bis zum Abend geht.
Mittlerweile parken sie dich ein. Du kommst nicht weg.
Elfriede Niederbacher
Meinungen der Leser
Ich bin für die Z-Variante.
Waltraud Gort, Lustenau
Ich bin gegen eine Riedstraße. Es gibt kürzere Wege.
Helmut Gugele, Lustenau
Ich bin für die Z. Fachleute sind gefragt, aber macht doch endlich!! Diese ewige Planerei und nichts geht vorwärts.
Josef Kopsi, Satteins
Ich bin für eine Riedstraße, denn wer von Bregenz in die Schweiz will (Flughafen Zürich) wird sicher nicht den Umweg über Mäder fahren. Die Vögel würden sich daran gewöhnen. Die müssen ihre Nistplätze ja nicht gerade entlang der Straße errichten.
Luise Müller, Feldkirch