Wahre Liebe muss nicht sehen

„Ja“. Als sich Beatrix und William dieses Zauberwort gaben, schien die Sonne.
Dornbirn. William (32) und Beatrix (40) sind sehr aufgeregt. „Ich bin soo nervös“, haspelt die angehende Ehefrau. „Aber auch glücklich“, reicht sie ein aufgelöstes Lächeln nach. Dass sie ihrem Zukünftigen nicht eine letzte Falte aus dem Anzug plätten kann, noch er ihr Kleid bewundern, liegt im Schicksal der Brautleute: Sie sind blind. William von Geburt an, Beatrix seit ihrem zweiten Lebensjahr – als ihr ein Tumor das Augenlicht raubte.
„Fühlen und riechen“
William kommt aus Florida, Beatrix aus Wien. Dort arbeitet die gebürtige Ungarin als Dolmetscherin für Ungarisch und Englisch, während William, der Amerikaner, als Profimusiker seine Brötchen verdient. Und warum sie sich ausgerechnet in Vorarlberg das Ja-Wort geben? „Weil wir zwei Mal hier waren, im Schwarzacher Blindenheim. Weil wir hier sehr liebe Leute kennengelernt haben und dieses Land mögen. Die Berge, die Natur. Und wenn Sie sich jetzt vielleicht fragen, warum wir das sagen, weil wir es nicht sehen können, dann sage ich Ihnen: Wir können fühlen und riechen.“
Gute Freunde
Kennengelernt haben sich William und Beatrix im Internet. „Wir haben geskypt“, erklärt William dem verdutzten Gesprächspartner. Vor sieben Jahren war das. William war damals in Texas. Beatrix flog zu ihm. Es folgten weitere Jahre physischer Distanz, aber geistiger und seelischer Nähe. Bis Beatrix 2011 ein zweites Mal zu William in die USA flog. Schließlich kamen beide nach Wien. Immer wieder hatte Beatrix das Blindenheim in Schwarzach aufgesucht und dort Freundschaften geschlossen. Als sie dann William nach Vorarlberg mitbrachte, wurde der wie selbstverständlich in Beatrix’ Freundeskreis aufgenommen. Zusammen verbrachten sie im September dieses Jahres eine unvergessliche Zeit im Ländle. Die Liebe wuchs und der Wunsch, diese Liebe offiziell zu machen, ebenso. „Wir beschlossen dann, hier in Dornbirn zu heiraten. In Wien hätten wir noch bis Jänner warten müssen.“
Alle sind gerührt
Das Warten ist nun endgültig vorbei. Der Standesbeamte Reinhard Weiss bittet die Brautleute samt Gefolge in den festlich hergerichteten Vermählungsraum. Er spricht von Liebe in blumigster Form und macht es dem spontan ernannten Dolmetscher nicht leicht, die Sprache der Liebe in korrekter Form ins Englische zu übersetzen. Zivildiener David hält den Laptop zum Skypen auf das Jubelpaar, damit Bild und Ton Williams Mutter in Florida erreichen.
Am Ende der Zeremonie greift William zur Gitarre und singt seiner frisch Angetrauten eine wunderschöne, für diesen Tag extra komponierte und getextete, Ballade: „I am in a house of an angel.“ Alle sind gerührt. Und als ob dieser Moment noch eine atmosphärische Erhöhung bräuchte, stechen ein paar Sonnenstrahlen durchs Fenster, verleihen der Feier einen besonderen Zauber. Beatrix und William können das nicht wahrnehmen. Egal: Ihr Glück scheint vollkommen. Liebe muss nicht sehen. Spüren ist alles.

