Bregenz will ein bahnfreies Seeufer

Die Stadtvertretung bekennt sich zu „Mehr am See“. Nun ist das Land am Zug.
Bregenz. Die Vision: Ein Bodensee-Ufer ohne Schiene. „Ein internationales Expertengutachten präferierte diese Lösung, weil nur sie die ‚Jahrhundertsünde der Trennung der Stadt vom See durch die Bahn korrigiert‘“. So steht es auf einer Postkarte der Stadt Bregenz mit dem Titel „Bregenz in der Zukunft“. Gedruckt im Jahr 1969. 46 Jahre später fährt der Zug immer noch.
Die Genossenschaft „Mehr am See“ kämpft seit zwei Jahren für ein Milliardenprojekt, das die Bahn unter die Oberfläche verlegen soll. Nun kommt Bewegung in die Sache. Die Stadtvertretung in Bregenz beschloss kürzlich ein Bekenntnis zu „Mehr am See“. Am Dienstag trifft sich im Landhaus ein Expertenrat, um Finanzierungsmodelle zu diskutieren.
Freies Ufer ist Bedingung
Am 15. Juni lud die Genossenschaft „Mehr am See“ zu einer Infoveranstaltung nach Bregenz, die VN berichteten. Vertreter der Wirtschaft sprachen sich dort für eine neue Bahnführung aus. Dies nahmen die Bregenzer Fraktionsobleute Michael Ritsch (SPÖ, 47) und Andrea Kinz (FPÖ, 55) zum Anlass, die Stadtvertretung aufzufordern, das Projekt zu unterstützen. Rot und Blau befürworten die Vision, ablehnend äußerten sich in Bregenz vor allem die Grünen. Bis jetzt. Der Antrag mit dem Wortlaut: „1. Bregenz unterstützt die Initiative ‚mehramsee – bahnfrei für Lebensqualität‘, 2. Die Stadtvertretung ersucht Bürgermeister Linhart, eine Unterstützungserklärung des Landes Vorarlberg (…) zu erwirken“ wurde mit 35:1 Stimmen angenommen, nur die Neos stimmten nicht zu.
Grüne Bedingung war, dass die frei gewordene Fläche im Besitz der öffentlichen Hand und unverbaut bleibt und frei zugänglich ist. „Das muss rechtlich gesichert sein. Die Initiative sehen wir als Denkanstoß für eine Verkehrslösung. Die Bahn ist nur ein Teil, uns geht es auch um Straßenführung und Ringstraßenbahn“, sagt Heribert Hehle (Grüne, 53).
Mitinitiatorin Andrea Kinz glaubt: „Die Chancen für ‚Mehr am See‘ haben sich erhöht. Wir müssen aus Bregenz Druck machen, damit das Projekt nicht wieder einschläft.“ Michael Ritsch dazu: „Ich sehe es als nächsten Schritt, den sich die Projektbetreiber verdient haben. Sie haben dadurch wieder ein bisschen Schub bekommen.“ Am Dienstag folgt der nächste Schritt. Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser (ÖVP, 60) trifft sich mit Experten, um neue Finanzierungsmöglichkeiten zu diskutieren, eine Landesanleihe zum Beispiel.
Pius Schlachter (58) von der Genossenschaft sieht darin einen Vorteil des Projekts: „Mehr am See dient dem Land dazu, anhand eines praktischen Beispiels Finanzierungsmodelle zu testen.“ Seine Freude ist offensichtlich: „Das Projekt ist nun offiziell ein Anliegen der Stadt. Jetzt geht es darum, endlich etwas zu tun.“
Etwas tun könnte sich dieses Jahr auch im Landtag. Für Herbst ist ein Grundsatzbeschluss der Fraktionen geplant. Und wer weiß: Vielleicht werden in 46 Jahren Postkarten gedruckt, die ein bahn- und straßenfreies Seeufer zeigen.
Das Projekt ist nun ein offizielles Anliegen der Stadt Bregenz.
Pius Schlachter “Mehr am See”
