“Neugier und Beharrlichkeit”

Vorarlberg / 23.07.2015 • 22:18 Uhr
Ein Star der Wissenschaft und eine faszinierende Persönlichkeit: Cèdric Villani. Foto: Stiplovsek
Ein Star der Wissenschaft und eine faszinierende Persönlichkeit: Cèdric Villani. Foto: Stiplovsek

Für Cédric Villani ist Mathematik weit mehr als nur ein Forschen mit und über Zahlen.

Lochau. Im Seefoyer des Festspielhauses wird heute der berühmte französische Wissenschafter Prof. Dr. Cédric Villani vor geladenen Gästen über die Welt der Mathematik und deren Bedeutung für das Leben der Menschen referieren. Der 41-jährige, aus Lyon stammende zweifache Familienvater, gab den VN im Vorfeld ein erfrischendes Interview. 

Wie wird man ein berühmter Mathematiker?

Villani: (lacht) Dies ist eine der meisten gestellten Fragen an mich. Ich denke, die Mischung von Genen und entsprechenden sozialen
Bedingungen führt dazu. Meine  Eltern waren beide Lehrer – allerdings für französische Literatur. Als ich zwölf war, konnten sie mich in meinem Interesse für Mathematik nicht mehr unterstützen.

Von wo kam Ihr Interesse an Mathematik?

Villani: Es entstammt einem Interesse für Evolution, die in meiner Kindheit auch das Zeitalter der Dinosaurier einschloss. Es entspringt einer starken Neugier, aber auch der Fantasie. Und überall spielt Mathematik hinein. Bei mir war’s schließlich eine Mischung aus Fantasie, Ausdauer und Disziplin, die mich auf meinen Weg führte. Allerdings: Man braucht auch das Glück, in eine entsprechende Zeit mit bestimmten Entwicklungen hineingeboren zu werden. Bei mir war das mit der Ausbreitung der Computerkommunikation, die auf mathematischen Kenntnissen aufbaut, der Fall.

Waren Sie als Schulkind mit Ihren Fähigkeiten beliebt, weil Sie Klassenkameraden helfen konnten – durch Einsagen bei Schularbeiten und anderes?

Villani: Nein. Ich war in der Klasse ein stiller Außenseiter, der zwar in Mathematik alles wusste, aber nie aufzeigte. Ich war darüber hinaus ein sehr kränkliches Kind, habe folgsam alle Regeln befolgt und mich nur zwei Mal zu Schwindeln getraut. Die Lehrer kritisierten meine Passivität. Sie wollten, dass ich mich in den Unterricht mehr einbringe. Aber das tat ich nicht.

Gab es bestimmte Personen, die Sie in Ihrer Entwicklung zu einem der herausragenden Wissenschafter unserer Zeit prägte?

Villani: Ja, die gab es. Da waren zuerst zwei meiner Mathematiklehrer in der Schule und später vier Wissenschafter-Kollegen, die mich alle auf ihre eigene Art und Weise beeinflusst haben. Sehr profitiert habe ich aber auch von der zweijährigen Vorbereitungsschule nach dem Abitur, wo ich mit anderen Mathematikern zusammenkam. Da haben bestimmte Dinge unauslöschliche Spuren hinterlassen. Desgleichen an der Ecole Normale Superieure, wo ich studierte. Es war für mich faszinierend, dort unter meinesgleichen zu sein. Ich habe mich geöffnet und begonnen, mich auch für andere Dinge zu interessieren. Ich fing an, Piano zu spielen und meinen eignen Dresscode zu entwickeln.

Sie sind bekannt geworden durch Forschungen, die Beweise zur nichtlinearen Landau-Dämpfung und zur Boltzmann-Gleichung erbrachten. Alles Dinge, mit denen ein Normal­sterblicher nichts anzufangen weiß. Worin liegt der Nutzen solcher Erkenntnisse?

Villani: Es gibt vor allem zwei große Bereiche, in denen mathematische Grundlagenforschung Meilenstein-Entwicklungen eingeleitet haben: in der Computer-Wissenschaft und der Biologie. Das ist für viele Menschen klar geworden. Deswegen bin ich mit der Frage nach dem Nutzen von Mathematik heutzutage nicht mehr so häufig konfrontiert wie früher. Noch vor einigen Jahren war sie nämlich die meistgestellte. 

In Vorarlberg beklagt unter anderem die Wirtschaft einen Mangel an jungen Leuten mit technischen und mathematischen Fähigkeiten. Was hätten Sie für Vorschläge, diesem Problem beizukommen?

Villani: Dieses Phänomen betrifft viele wohlhabende Länder. Je höher das Land entwickelt ist, desto größer ist das Problem. Dies hängt damit zusammen, dass junge Leute heutzutage etwas beruflich Sicheres wollen und nicht mehr so wagemutig sind. Die Antwort darauf heißt Immigration: Menschen, die angehalten sind, etwas zu riskieren. Junge Leute, die sehen, wie hart ihre Eltern schuften müssen, damit sie ihnen ein gutes Leben ermöglichen können. Aus diesem Hunger entstehen Interesse, Neugier und Beharrlichkeit. In Frankreich, das eine hohe Zahl an namhaften Mathematikern herausbringt, waren von den letzten vier Fields-Medaillengewinner drei Immigranten. Ich bin der einzige echte Franzose. Es braucht für die Förderung des Interesses an Naturwissenschaft auch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen. 

In der Schule war ich ein stiller Außenseiter, der nie aufgezeigt hat – zum Missfallen der Lehrer.

Cédric Villani

Zur Person

Cédric Villani

Cédric Villani ist seit Juli 2009 Direktor des Instituts Henri Poincare in Paris, eines der renommiertesten Mathematik-Institute der Welt. Der 41 Jahre alte Wissenschafter wohnt in der Nähe von Paris. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

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