Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Verfassung? Wozu?

Vorarlberg / 06.08.2015 • 19:25 Uhr

In einer in der Bundeshauptstadt erscheinenden Zeitung schrieb ein Kommentator unlängst allen Ernstes, die Regierungsparteien sollten eine dritte Partei in die Koalition holen, mit der sie dann im Parlament über die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit verfügen würden. Damit sollten Reformen leichter möglich gemacht werden.

Die Meinung des Kommentators ist typisch für eine vor allem in der Politik weitverbreitete Meinung, dass die Verfassung ein Selbstbedienungsladen für gerade aktuelle Anliegen sei. Ich behaupte, dass es keinen einigermaßen zivilisierten Staat gibt, in dem die Verfassung im öffentlichen Bewusstsein so wenig zählt wie in Österreich.

In der Tat erleben wir ja täglich, wie sich die Regierungsparteien erfolgreich um Partner bemühen, weil sie die Verfassung ändern oder besser gesagt aushebeln wollen. Das Ergebnis war unlängst, dass die Verfassung gleich zwei Mal geändert wurde: Erstens um das Bankgeheimnis überhaupt und zweitens auch noch rückwirkend abzuschaffen. Mit einer der nächsten Verfassungsänderungen wird den Gemeinden demnächst die Baukompetenz für Asylunterkünfte entzogen, nur damit der Bund von seinem eigenen Versagen ablenken kann. Das alles stößt erstaunlicherweise auf keine Kritik, sondern auf großen Applaus im politisch medialen Komplex in der Bundeshauptstadt.

Dass eine Verfassung dazu da sein könnte, Rechte der Bürger zu garantieren und Zuständigkeiten dauerhaft zu fixieren, kommt niemandem in den Sinn. Als nächstes auf der Wunschliste dieser Pippi-Langstrumpf-Gesetzgebung („Ich baue mir die Welt, wie sie mir gefällt“) steht die Vorratsdatenspeicherung. Auch dafür wird sich bestimmt ein Partner im Parlament finden, mit dessen Hilfe die Verfassung auf die Seite geschoben wird, um die Bürger noch besser als bisher überwachen zu können. Das Resultat ist, dass es in Europa keine Verfassung gibt, die in einem so miserablen Zustand ist wie die österreichische.

Man fragt sich schon, wozu wir überhaupt eine Verfassung brauchen. Ohne sie könnte nämlich die Bundespolitik endgültig tun und lassen, was sie will, ohne von lästigen Bürgerrechten oder Länder- und Gemeindekompetenzen behelligt zu werden. Zudem bliebe uns das gegenwärtige unwürdige Schauspiel erspart.

Das Resultat ist, dass es in Europa keine Verfassung gibt, die in einem so miserablen Zustand ist wie die österreichische.

peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.