Der Schock
„Le choc“ (Der Schock), so bezeichnen französische Medien den Wahlsieg des rechtsextremen Front National unter seiner Anführerin Marine Le Pen im ersten Durchgang der Regionalwahlen in Frankreich. Man kann ziemlich sicher sein, dass, wenn die zweite Runde in zwei Wochen zu einem ähnlichen Ergebnis führen wird, sogar die Regierung in Paris umgebildet wird.
Dabei sind die Regionalwahlen in Frankreich eigentlich völlig bedeutungslos, was auch daran sichtbar wurde, dass sich nur etwa 40% der Wahlberechtigten beteiligt haben. Die Kompetenzen der Regionen in Frankreich sind nämlich insgesamt sehr bescheiden. Wer etwa der Meinung ist, dass ein österreichischer Landtag angesichts seiner geringen Kompetenzen zu groß ist, soll sich einmal die viel größeren Regionalräte in Frankreich anschauen. Sie haben deutlich weniger zu sagen als ein österreichischer Landtag, aber dafür viel mehr Abgeordnete.
Die Bedeutungslosigkeit der Regionalräte erklärt auch, weshalb die in Paris regierenden Sozialisten in einigen Regionen im zweiten Durchgang gar keine Kandidaten mehr aufstellen werden. Sie hoffen, dass ihre Wähler für die konservativen Kandidaten votieren werden und so wenigstens ein noch größerer Erfolg des Front National verhindert wird. Aus taktischen Gründen auf sichere Mandate verzichtet man in der Politik nur, wenn mit diesen Mandaten sonst nichts bewirkt werden kann.
Alle Regionalwahlen finden in Frankreich, anders als in Österreich, am selben Tag statt. Es verwundert daher auch nicht, dass die Motivation der Wahlberechtigten weniger darin liegt, über die Politik ihrer Region zu bestimmen, sondern in erster Linie der Regierung in Paris eine Ohrfeige verpassen zu können. Wer in Österreich alle Landtagswahlen an einem Tag abhalten wollte, würde dasselbe Ergebnis erzielen: Der Wahltag wird zum Tag der Abrechnung mit der Bundespolitik.
Aufgrund der geringen Kompetenzen der Regionen kann der Front National im Übrigen dort, wo er nun die Mehrheit hat, auch nicht allzu viel falsch machen. Die Partei wird also nicht, wie das in anderen Ländern geschieht, durch Regierungstätigkeit entzaubert werden. Sie wird vielmehr weiterhin keine konstruktive Rolle spielen, sondern nur das Schreckgespenst der jeweiligen Regierung in Paris sein können.
Die Kompetenzen der Regionen in Frankreich sind nämlich insgesamt sehr bescheiden.
peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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