Alles eine Frage der Kapazität

Vorarlberg / 19.01.2016 • 20:20 Uhr
Großquartiere wie hier in Dornbirn könnten laut Bernd Klisch bald knapp werden. Foto: pletsch
Großquartiere wie hier in Dornbirn könnten laut Bernd Klisch bald knapp werden. Foto: pletsch

Länder wollen eine
Asylobergrenze,
Experten lassen kein gutes Haar daran.

Schwarzach. Es ist der Nabel der Fluchtdiskussion. Wie vielen Flüchtlingen kann Österreich noch helfen? Im Bundeskanzleramt in Wien treffen sich heute, Mittwoch, Vertreter des Bundes und der Länder, um über die aktuelle Asylsituation zu diskutieren. Die Themen: Obergrenze, Sozialleistungen, Grenzsicherung. Die Landeshauptleute sind sich sicher: Irgendwann sei die Grenze der Aufnahmen erreicht, deshalb müsse diese definiert werden. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (48, ÖVP) erklärte nach dem Regierungsfoyer am Dienstag, auch Vorarlberg hätte die Grenze bald erreicht. Er warnte: „Wir sollten die Grenzen der Aufnahmefähigkeit nicht austesten.“ Experten sehen das anders. Bernd Klisch (52), Leiter der Caritas Flüchtlingshilfe, hält die Obergrenzenidee für „schlecht durchdacht“. Kilian Kleinschmidt (53), Berater des Innenministeriums, sogar für eine Illusion.

Eine Frage des Wollens

Rund 90.000 Menschen suchten vergangenes Jahr um Asyl an, 3500 kamen in Vorarlberg unter. Landeshauptmann Wallner ist sich sicher: Weder Österreich noch Vorarlberg kann eine solche Zahl ein zweites Mal stemmen. In Vorarlberg könnten im besten Fall noch bis zu 1000 Plätze geschaffen werden, dann sei Schluss. Bernd Klisch sagt dazu: „Uns werden noch immer wöchentlich Quartiere gemeldet, das ist ungebrochen. Ich habe keine Ahnung, wann die Kapazitätsgrenze erreicht ist.“ Fehlende Großunterkünfte könnten zum Problem werden. Allerdings gäbe es andere Möglichkeiten, auf die Vorarlberg bisher verzichtet hat. Wohncontainer zum Beispiel. Klisch glaubt: „Kapazität ist eine Frage des Willens und der Wege, die man bereit ist, zu gehen.“ Für die nächste Zeit sei genug Kapazität da.

Kilian Kleinschmidt ist Experte in Unterbringungsfragen, berät das Innenministerium, leitete ein großes Flüchtlingslager in Jordanien. Er fragt sich: „Warum diskutieren wir Dinge, die wir nicht umsetzen können? Wir müssen realistisch bleiben und uns nicht mit Parolen zufriedengeben. Es braucht einen Plan.“ Eine solche Parole sei auch die Forderung nach weniger Sozialleistungen, um Österreich unattraktiver zu machen. „Es gibt eine Studie der OECD, die nachweist, dass Sozialleistungen keinerlei Einfluss auf den Willen von Menschen haben, zu kommen. Es sollte eigentlich reichen, auf diese Studie hinzuweisen.“

Wünsche und Angst

Um die Zahl der Flüchtlinge zu kontrollieren, haben die EU-Staaten sogenannte Hotspots beschlossen. Das heißt: An den EU-Außengrenzen sollen Flüchtlinge kontrolliert und in asyl- und nichtasylberechtigt unterteilt werden. Die Asylberechtigten würden anschließend auf EU-Staaten verteilt. Landeshauptmann Wallner lässt nicht locker: „Wo sind diese Hotspots?“ Er vermisse Handlungen der EU. Kleinschmidt kann der Idee nichts abgewinnen: „Den Flüchtling, der keine Chance auf Asyl hat und sich freiwillig in eine solche Mausefalle begibt, will ich erst kennenlernen. Er wird sich natürlich um diese Mausefalle herum bewegen, illegal nach Europa kommen und untertauchen.“

Wallners Ziel für heute ist es, Lösungen zu beschließen. Kleinschmidt glaubt: „Ich befürchte, dass man sich aus politischen Gründen auf Illusionen einigt.“ Klisch fordert ein klares Bekenntnis der Bundes- und Länderregierungen, zu ihrer Verantwortung zu stehen. Wie vergangenes Jahr „Hand in Hand in Vorarlberg“ will er ein „Hand in Hand in Österreich“. Er befürchtet, „dass sich die Politik auf irgendwelche populistischen Maßnahmen einigt, bei denen jeder weiß, dass sie nicht durchsetzbar sind.“

Kapazität ist eine Frage des Willens und der Wege, die man geht.

Bernd Klisch

Warum diskutieren wir Dinge, die wir nicht umsetzen können?

Kilian Kleinschmidt