“Krieg alleine reicht nicht aus”

Vorarlberg / 08.02.2016 • 20:15 Uhr
BFA-Chef Sven-Gunnar Pangratz: „In Kabul kann man relativ ordentlich leben.“ foto: VN/Hofmeister
BFA-Chef Sven-Gunnar Pangratz: „In Kabul kann man relativ ordentlich leben.“ foto: VN/Hofmeister

Am 23. Februar wird eine Zweigstelle des Asylamtes (BFA) in Rankweil eröffnet.

Dornbirn. Am 1. Jänner 2014 übernahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Bearbeitung von Asylanträgen in Österreich. Sven-Gunnar Pangratz leitet die Regionaldirektion Vorarlberg mit Sitz in Feldkirch. Damals waren 14 Mitarbeiter im Amt beschäftigt. Mittlerweile sind es 26, in Kürze wird ein zweites Büro eröffnet. Damit soll ein Rückstau an Asylanträgen aufgearbeitet werden, erklärt Pangratz im VN-Interview. „Asyl auf Zeit“ würde noch mehr Aufwand bedeuten.

Vor einer Woche hat eine Gruppe irakischer Flüchtlinge vor dem BFA demonstriert, weil ihr Asylansuchen abgelehnt wurde. Verstehen Sie die Demonstranten?

Pangratz: Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht. Persönlich verstehe ich, dass jemand enttäuscht ist. Aber Asyl ist ein kostbares Gut. Wir prüfen bei jedem Fall individuell, ob ein Asylgrund nach der Genfer Konvention gegeben ist oder nicht.

Wann trifft die Konvention zu?

Pangratz: Wenn man aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer politischen Überzeugung verfolgt wird. Das ist recht eng gefasst, da fallen viele Sachen nicht rein. Zum Beispiel wirtschaftliche Not, Dürre oder Hungersnot.

Ist Krieg alleine ein Asylgrund?

Pangratz: Krieg alleine reicht nicht aus. Dafür gibt es aber den subsidiären Schutz. Völkerrechtlich darf niemand in ein Land zurückgewiesen werden, in dem die Gefahr herrscht, ein willkürliches Opfer in einem bewaffneten Konflikt zu werden.

Weshalb bekommen so viele Syrer Asyl?

Pangratz: Darauf werden wir oft angesprochen. Vielen Syrern droht, ins Militär einer Konfliktpartei eingezogen zu werden. So könnten sie dem Zwang ausgesetzt werden, Kriegsverbrechen zu begehen.

Im Irak ist das anders?

Pangratz: Ja. Der Irak ist ein großes Land, nicht überall herrscht Krieg. Es gibt durchaus Regionen, in denen man ruhig leben kann.

2014 haben in Österreich 28.000 Menschen um Asyl angesucht, 2015 waren es fast 100.000. Wie haben Sie diesen Anstieg erlebt?

Pangratz: Das ist eine unfassbare Explosion der Antragszahlen. Obwohl das BFA bundesweit doppelt so viele Entscheidungen getroffen hat, sind wir in Österreich mit 60.000 Entscheidungen im Rückstand.

Wie sieht es in Vorarlberg aus?

Pangratz: Das lässt sich anteilsmäßig auf Vorarlberg umlegen. In Feldkirch haben wir derzeit 26 Mitarbeiter, inklusive Zivildiener und Lehrling. Wir werden neue Mitarbeiter aufnehmen. Zudem kann ich ankündigen, dass wir ein zweites Büro in Rankweil eröffnen.

Wann?

Pangratz: Vermutlich ziehen wir am 23. Februar ein. Wir hoffen damit, die durchschnittliche Verfahrensdauer wieder verkürzen zu können. Momentan liegt sie bei sechs Monaten.

Wie wird sich „Asyl auf Zeit“ auf Ihre Arbeit auswirken?

Pangratz: Damit kommt ein Mehraufwand auf uns zu. Dieser soll allerdings gering gehalten werden, indem
sich die Aufenthaltsberechtigung nach drei Jahren automatisch verlängert, sofern kein Aberkennungsgrund vorliegt. Und die Lage in Syrien oder dem Irak wird sich nicht von heute auf morgen ändern.

Wie hoch ist die Anerkennungsquote?

Pangratz: Ungefähr 35 Prozent. Bei Syrern höher, aber mittlerweile kommen mehr Afghanen als Syrer zu uns.

Und da ist die Quote niedriger?

Pangratz: Ja, da greift die Genfer Konvention nicht so oft. Da Afghanistan ein riesiges Land ist, ist es beim subsidiären Schutz oft anders. Manche Regionen sind sicherer als andere, in Kabul zum Beispiel kann man relativ ordentlich leben.

Wie sicher muss es sein?

Pangratz: Es muss nach Artikel drei der Menschenrechtskonvention kein gleichwertiges Leben wie hier sein, aber es darf keiner unmenschlichen Behandlung gleichkommen, wenn jemand abgewiesen wird. Wir haben unsere Länderexperten, die das beurteilen, und schicken sicher niemanden in den Tod oder in die trockene Wüste.

Was passiert mit einem Afghanen, der nicht abschiebbar ist?

Pangratz: Wenn eine Abschiebung nicht möglich ist, beispielsweise weil kein Reisepass oder kein Zielstaat ausgestellt wird, und er sich selber um eine Rückkehr bemüht, dies aber nicht klappt, kann die Behörde eine Duldung aussprechen. Er ist dann zwar nicht legal hier, wird aber nicht abgeschoben und für seinen Aufenthalt nicht bestraft. Wenn sich der Sachverhalt ändert, kann das BFA den Fremden aber außer Landes bringen.

Falls er sich nicht bemüht?

Pangratz: Ohne Duldung ist er praktisch illegal hier. Er hat keine Chance, dass er seinen Aufenthalt legalisiert.

Zur Person

Sven-Gunnar Pangratz

leitet die Regionaldirektion Vorarlberg des Bundesamts für Fremdenrecht und Asyl (BFA) in Feldkirch. Das BFA bearbeitet seit 2014 die Asylanträge.

Geboren: 12. Juli 1974

Laufbahn: 2004 bis 2007 Rechtsberater für die Caritas Graz, 2009 bis 2014 juristischer Referent und Qualitätsbeauftragter, später stellvertretender Leiter der Erstaufnahmestelle Thalham