Tisis als Station ins Fürstentum

Vorarlberg / 21.02.2016 • 20:01 Uhr
150 Personen haben im Jahr 2015 die Grenze zwischen Liechtenstein und Österreich illegal passiert.  Foto: VN/Archiv
150 Personen haben im Jahr 2015 die Grenze zwischen Liechtenstein und Österreich illegal passiert. Foto: VN/Archiv

Asylwerber reisen auch über Österreich illegal in die Schweiz und nach Liechtenstein ein. 

Schwarzach. Österreichs Westen ist von der aktuellen Fluchtbewegung unberührt. Flüchtlinge, die nach Deutschland wollen, kommen meist über die Balkanroute nach Spielfeld und von dort via Oberösterreich, Salzburg oder Kufstein nach Bayern. Nur wenige Flüchtlinge kommen auf eigene Ini­tiative nach Vorarlberg. Manche wollen noch weiter, zum Beispiel in die Schweiz oder nach Liechtenstein. Das Ausländer- und Passamt des Fürstentums vermutet, dass im Jahr 2015 rund 150 Menschen illegal die Grenze zwischen Österreich und Liechtenstein passiert haben. „Die meisten davon reisten beim Grenzübergang Schaanwald-Tisis ein“, erklärt Christian Blank, Leiter der Asylabteilung des Amtes. Die Hälfte habe Asyl beantragt.

In Österreich kommen die meisten Asylwerber aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. In der Schweiz ist Eritrea das Herkunftsland Nummer eins. In Liechtenstein stammen die meisten Asylwerber vom Westbalkan, vor allem aus Serbien und Mazedonien. „Zudem stellte das Ausländer- und Passamt eine Zunahme der Asylgesuche aus der Ukraine und China fest“, berichtet Blank. 2015 habe hingegen nur eine Person aus Syrien um Asyl angesucht. Im Umgang mit Asylwerbern unterscheiden sich die Nachbarn kaum von Österreich. Am Arbeitsmarkt und bei Dublin gehen Liechtenstein und die Schweiz jedoch andere Wege.

Dublin: Heimat von James Joyce, Stadt der Pubs und Namensgeber des Abkommes, das die Vorgehensweise der europäischen Staaten im Asylwesen festlegt. Auch die Schweiz und Liechtenstein sind Teil des Dublin-Regimes. Peter Bußjäger ist Experte für das Asylrecht beider Staaten. Er erklärt: „Im Gegensatz zu einigen europäischen Ländern wenden die Schweiz und Liechtenstein das Dublin-Abkommen konsequent an.“ Das heißt: Wird ein Asylwerber in einem anderen europäischen Staat registriert, ist dieses Land für das Verfahren zuständig. Er muss dahin zurück. Zwischen 2009 und 2014 hat die Schweiz laut Eurostat fast 20.000 Asylwerber in andere EU-Staaten abgeschoben. Die Hälfte nach Italien, 920 nach Österreich. In der Regel geschieht das über den Luftweg von Zürich nach Wien.

Taschengeld als Ausnahme

In Österreich dürfen Asylwerber nicht arbeiten. Anders in Liechtenstein: Dort sind Asylwerber ab dem ersten Tag arbeitsberechtigt. In der Schweiz nach drei Monaten. Urs Weber, Leiter der Asylabteilung im Kanton St. Gallen, relativiert: „Asylsuchende haben es eher schwer, eine Arbeit zu finden. Es gilt der Inländervorrang.“ In Liechtenstein wird der Lohn von der Flüchtlingshilfe verwaltet und mit entstandenen Kosten gegengerechnet. Zudem erhalten Asylsuchende Lebensmittelgutscheine, Sachleistungen und in bestimmten Fällen ein Taschengeld, schildert Christian Blank. In den kantonalen Zentren in St. Gallen erhalten Asylwerber drei Franken Taschengeld und einen Franken Kleidergeld pro Tag. Dazu kommen 60 Rappen für Hygieneartikel. Integrationsvereinbarungen, wie seit Neuestem in Vorarlberg, gibt es in beiden Ländern schon länger.

Ein Viertel positiv

154 Menschen suchten im Jahr 2015 in Liechtenstein um Asyl an; über vier Asylwerber pro 1000 Einwohner. Zum Vergleich: In Frankreich wurde ein Asylantrag pro 1000 Einwohner gestellt, in der Schweiz waren es 4,8, in Österreich neun. Wie in Österreich wird ein Asylwerber nach einem Antrag zum Gespräch geladen, um Personalien und Reiseroute zu klären. Dann läuft das Verfahren. In der Schweiz bekam ein Viertel einen positiven Asylbescheid, die Hälfte aller Asylwerber wurde vorläufig aufgenommen. In Liechtenstein vorläufig zwei, die genaue Anzahl steht aber noch nicht fest.

Auch in den Nachbarländern hat der Anstieg an Anträgen zu einem Rückstau bei der Bearbeitung geführt. Die Schweiz arbeitet an einem neuen Gesetz: „Ab 2018 soll ein Asylverfahren erstinstanzlich maximal 280 Tage dauern“, berichtet Urs Weber. Bis dahin könnte die Situation aber wieder eine völlig andere sein.

Schweiz und Liechtenstein wenden Dublin konsequent an.

Peter Bußjäger

Anträge, Vergleich

» Liechtenstein
Jahr 2015: 154 (rund 4,2 pro 1000 Einwohner).
Asylanträge 2014: 73

» Schweiz
Jahr 2015: 39.523 (rund 4,8 pro 1000 Einwohner). Kanton St. Gallen: 2170 Asylwerber.
Betreuungsquote Kanton St. Gallen: 5,4 Prozent aller Asylwerber. Asylanträge 2014: 23.765

» Österreich
Jahr 2015: 78.884 (rund 9 pro 1000 Einwohner). Vorarlberg: 3476 Asylwerber.
Betreuungsquote Vorarlberg: 4,4 Prozent aller Asylwerber.
Asylanträge 2014: 28.064