Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Stillstand

Vorarlberg / 31.03.2016 • 18:58 Uhr

Wer die Ergebnisse der letzten Wahlgänge in Europa verfolgt hat, egal, ob auf nationaler oder regionaler Ebene, dem ist wohl aufgefallen, dass es von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen keine absoluten Mehrheiten mehr gibt. Das wäre ja nicht weiter schlimm: Absolute Macht kann, wie man an den Beispielen Ungarn und Polen sieht, auch in Demokratien eine zu große Versuchung für die Regierenden sein.

Wie sich zeigt, wird es allerdings auch immer schwieriger, regierungsfähige Koalitionen zu bilden: In Spanien gibt es Monate nach der letzten Wahl noch immer keine neue Regierung. In Österreich ist es derzeit höchst fraglich, ob SPÖ und ÖVP nach den nächsten Wahlen, die planmäßig 2018 stattfinden sollten, gemeinsam über die Mehrheit der Sitze im Nationalrat verfügen werden. Die Hinzunahme einer dritten Partei in eine Koalition wird es nicht gerade leichter machen, eine handlungsfähige Regierung aufzustellen. Der Stillstand, den viele Menschen in diesem Land spüren, könnte noch verschlimmert werden.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Koalitionen des Stillstands zu vermeiden. Die erste Alternative ist das sogenannte Mehrheitswahlrecht. Dabei würde Österreich in 183 Wahlkreise unterteilt, wo jeweils ein einziges Mandat von demjenigen Kandidaten errungen würde, der die meisten Stimmen aller Konkurrenten erhält. Das Mehrheitswahlrecht führt dazu, dass die Chancen kleinerer Parteien auf Mandate reduziert werden, weil ihre Kandidaten nur in seltenen Fällen die meisten Stimmen im Wahlkreis erringen. Ein reines Mehrheitswahlrecht kann es mit sich bringen, dass Parteien mit nicht einmal 30 Prozent der Stimmen über die absolute Mehrheit verfügen.

Die zweite Alternative wäre eine sogenannte Minderheitsregierung. In einem solchen Fall ernennt der Bundespräsident eine Regierung, die über keine Mehrheit im Nationalrat verfügt. Sie muss sich, wenn sie ihr Programm umsetzen will, um Unterstützung im Parlament bemühen. Es gibt in diesem Fall keine Koalitionsparteien, die sich wechselseitig blockieren. Solche Minderheitsregierungen sind in Skandinavien durchaus üblich. Sie setzen allerdings auch vonseiten der Oppositionsparteien im Parlament eine hohe Verantwortung voraus, nämlich die Regierung nicht bei erstbester Gelegenheit stürzen zu wollen. Unter dieser Voraussetzung kann eine Minderheitsregierung eine echte Alternative zum Stillstand der einander belauernden Koalitionsparteien sein.

Der Stillstand könnte noch verschlimmert werden.

peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.