Neonazis und Dschihadisten im Auge

Landespolizeidirektor Ludescher über den Postkartenräuber und „Blood & Honour“.
Bregenz. Erstarkt die rechte Szene im Land? Berichten zufolge sollen sich am 5. Mai rund 70 Neonazis der Bewegung „Blood & Honour“ in Feldkirch zu einem Konzert getroffen haben. Im Internet tauchten Bilder davon mit einem Plakat im Hintergrund auf, mit dem eine Vorarlberger Gruppierung im Herbst auf einer Demonstration der „Identitären“ in Spielfeld aufgefallen war.
Herr Ludescher, wissen Sie, wo das Konzert war?
Ludescher: Wir haben Anhaltspunkte, dass es im Land war. Aber nicht in dieser Größenordnung. Wir sind weit von 70 Personen entfernt. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse deuten darauf hin, dass es uns im Vorfeld gar nicht hätte auffallen können. Es war im abgeschlossenen Bereich, sowohl was den Teilnehmerkreis betrifft als auch was den Ort betrifft. Das ist dann einfach so.
Es ist einfach so?
Ludescher: Ja, die Polizei kann nicht in jeden Keller hineinschauen.
Gibt es eine Handhabe, wenn etwas im privaten Raum passiert?
Ludescher: Es gibt schon die Möglichkeit, in ein Haus hineinzukommen. Aber dafür liegt die Latte relativ hoch. Es ist nicht so, dass wir klingeln und einfach hineingehen. Das geht gar nicht.
Zurück zum Konzert: Wie groß war es wirklich? Zehn Menschen? 15? Oder 20?
Ludescher: Das kann sein. Jedenfalls nicht 70. Und nicht in einem öffentlichen Lokal, wo jeder hineinkann.
Gibt es Anzeichen, dass sich die Szene im Land formiert?
Ludescher: Sie wird zumindest wieder ein bisschen aktiver. Es gab zwei kleine Versammlungen der Aktion „Lichter für Österreich“ in Dornbirn, die dann verboten wurden. In Spielfeld traten sie auch in Szene. Offensichtlich sucht man wieder die Öffentlichkeit.
In Spielfeld sollen rund zehn Personen aus Vorarlberg dabei gewesen sein. Ist das der harte Kern der Szene?
Ludescher: Ja, von „Blood & Honour“. Vielleicht sind es auch 15. Es sind großteils die gleichen Personen wie in den 90er-Jahren.
Die Anzeigen wegen rechtsmotivierter Taten sind gestiegen.
Ludescher: Es gibt mehr Delikte, und die Bevölkerung ist sensibler. Vieles spielt sich im Internet ab, wo der eine oder andere nachts, in welchem Zustand auch immer, seinen Unmut kundtut. Andere sind in der Hinsicht sensibler und erstatten Anzeige.
Eine weitere Szene, die der Verfassungsschutz beobachtet, ist die Dschihadistenszene. Seit 2014 ist von drei bis vier Männern die Rede, die nach Syrien oder in den Irak gegangen sein sollen. Im November erklärte Sicherheitslandesrat Erich Schwärzler (ÖVP): „Fünf bis acht Personen stehen in Vorarlberg unter Beobachtung.“ Ein Rückkehrer sei im Gefängnis.
Gibt es aktuelle Zahlen über Rückkehrer und Personen, die Sie beobachten?
Ludescher: Nein, gibt’s nicht.
Oder dürfen Sie es nicht sagen?
Ludescher: Es gibt keine zusätzlichen Rückkehrer.
Fliegt niemand mehr hin?
Ludescher: Es gibt schon Ermittlungsverfahren, bei denen man Hinweisen über Leute nachgeht, die nach Syrien gegangen sein könnten. Aber die laufen.
Wie viele Verfahren gibt es?
Ludescher: Mehrere. Aber nicht so viele, dass es beängstigend wäre.
Im November haben wir von einem Feldkircher Gebetshaus berichtet, das beobachtet wird. Ist das noch aktuell?
Ludescher: Ja, es wird beobachtet, wer sich dort bewegt und in welche Richtung sich das entwickelt.
Werden weitere Gebäude beobachtet?
Ludescher: Es gibt den einen oder anderen Verein, auf den man schaut, weil man das Gefühl hat, die Leute könnten Richtung Islamismus tendieren. Das muss nicht Dschihadismus sein und auch nicht weiß ich wie radikal. Es ist die Aufgabe des Verfassungsschutzes, möglichst früh hinzuschauen und entsprechende Entwicklungen wahrzunehmen.
Von wie vielen Vereinen sprechen wir da?
Ludescher: Das kann ich nicht sagen. Es gibt die Szene, aber wir reden hier von einer ganz kleinen Zahl.
Gibt es Hassprediger im Land?
Ludescher: Niemanden, den ich als Hassprediger bezeichnen würde. In dem erwähnten Verein vermutet man, dass entsprechend agiert wird. Ob es konkret ein Prediger ist oder nicht, müssen die Ermittlungen ergeben.
Sie ermitteln schon einige Zeit. Ist ein Ende absehbar?
Ludescher: Die Ermittlungen sind langwierig. Ich kann nicht hingehen und sagen: So, das will ich jetzt wissen. Dort hineinzukommen ist äußerst langwierig. Und andere Mittel, wie Telefonüberwachung oder einen Lauschangriff, kann man erst anwenden, wenn es entsprechende Fakten gibt.
Läuft momentan so etwas wie ein Lauschangriff?
Ludescher: Wenn es so wäre, würde ich es nicht sagen.
Können Sie wenigstens schätzen, wie viele Vorarlberger derzeit im Dschihad kämpfen?
Ludescher: Ich möchte nicht schätzen, das würde nur für Verwirrung sorgen und falsch ausgelegt werden. Ich weiß, man hätte gerne Zahlen, um es einschätzen zu können. Das ist aber einfach nicht seriös.
Die Statistik zeigt, dass Vorarlberg immer sicherer wird, was auch Hans-Peter Ludescher betont: „In den letzten Jahren ist das Risiko, Opfer eines Verbrechens zu werden, zurückgegangen.“ Es gibt aber einen bekannten, bisher nicht gelösten Kriminalfall: den Postkartenräuber.
Haben Sie eigentlich neue Hinweise zum Postkartenräuber?
Ludescher: Wir haben Postwurfsendungen gemacht. Es sind entsprechende Hinweise eingegangen, denen wir nachgehen.
Der Mann narrt Sie schon ein wenig, oder?
Ludescher: Ich glaube nicht, dass er die Überfälle macht, um uns zu narren. Offensichtlich braucht er diese Einnahmequelle. Wir nehmen das nicht persönlich. Er hat im einen oder anderen Fall mehr Glück gehabt als viele vor ihm.
Ihre Genugtuung wäre aber groß, wenn die Handschellen klicken?
Ludescher: Selbstverständlich. Letztendlich geht es weniger um uns als viel mehr um die Opfer.
Wann haben Sie eigentlich Ihren letzten Strafzettel bekommen?
Ludescher: Das ist schon lange her. Ich fahre aber auch kaum mit dem Auto. Und wenn doch, dann mit dem dienstlichen Wagen. Und da halte ich mich natürlich an die Regeln, das ist keine Frage (lacht).
Zur Person
Dr. Hans-Peter Ludescher
seit 2012 Vorarlberger Landespolizeidirektor
Wohnort: Weiler
Geboren: 27. Juli 1961
Familie: verheiratet, drei Kinder
Laufbahn: seit 1979 bei der Polizei, 2009–2012 Sicherheitsdirektor