Das Korrektiv
In dem mittlerweile als endlos empfundenen Wahlkampf um die Funktion des Bundespräsidenten haben die Kandidaten immer wieder betont, starke Bundespräsidenten sein zu wollen. Eine andere Aussage wäre beim Wahlvolk wohl etwas seltsam angekommen. Also überboten sie sich gegenseitig in Ankündigungen, TTIP nicht unterschreiben zu wollen, bestimmte Personen nicht als Bundeskanzler anzugeloben oder die Regierung gegebenenfalls zu entlassen.
Nachdem vor etwa vier Monaten Alexander Van der Bellen vermeintlich zum Bundespräsidenten gewählt worden war, zeichnete sich bemerkenswerterweise schon nach wenigen Tagen eine breite Mehrheit dafür ab, die Kompetenzen des – soeben gewählten – Bundespräsidenten zu beschneiden. Eine solche Diskussion hat übrigens durchaus ihre Berechtigung, auch wenn die Parteien gegenüber den Wählern zuvor noch den Eindruck erweckt hatten, als wären die Aufgaben des Bundespräsidenten tabu.
Wenn man die Kompetenzen des Bundespräsidenten schon zurückstutzen will, sollte man auch diskutieren, ob wir überhaupt noch einen Bundespräsidenten benötigen. Wer hat in den vergangenen Monaten ernsthaft die üblichen mahnenden Worte vermisst, die unsere bisherigen Bundespräsidenten bei Gelegenheit von sich gaben?
Auf eine solche Überlegung hin hielt mir jemand unlängst entgegen, dass der Bundespräsident ein wichtiges Korrektiv gegenüber der Bundesregierung sei. Mit anderen Worten, der Bundespräsident könnte ein Fehlverhalten der Bundesregierung dadurch bestrafen, dass er sie entlässt. Aus historischer Sicht gab es allerdings nur einmal die Notwendigkeit, dass der Bundespräsident diesen Schritt hätte setzen müssen: Als nämlich Bundeskanzler Dollfuss 1933 die Demokratie und den Verfassungsgerichtshof ausschaltete. Damals versagte Bundespräsident Wilhelm Miklas kläglich und war deshalb mitverantwortlich für den Untergang der Ersten Republik.
Ob einer der Bundespräsidenten, die nach 1945 dieses Amt bekleidet haben, in einer ähnlichen Situation wie Miklas anders gehandelt hätte, wissen wir zum Glück nicht. Eine derartige Bewährungsprobe ist der Zweiten Republik nämlich erspart geblieben. Trotzdem sollten Amt und Aufgaben des Bundespräsidenten auch einmal grundsätzlich in Frage gestellt werden.
Eine derartige Bewährungsprobe ist der Zweiten Republik nämlich erspart geblieben.
peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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