Frau Küng und ihr Sieg gegen die Spielhölle

Vorarlberg / 24.10.2016 • 20:24 Uhr
Jetzt kann sie wieder verschmitzt lächeln. Annemarie Küng und ihre Mitstreiter vertrieben Wettlokal-Betreiber. Foto: Stiplovsek
Jetzt kann sie wieder verschmitzt lächeln. Annemarie Küng und ihre Mitstreiter vertrieben Wettlokal-Betreiber. Foto: Stiplovsek

Pensionistin brachte mit anderen Haus­parteien Wettlokalbetreiber zum Aufgeben.

Dornbirn. Annemarie Küng (78) und die Moosmahdstraße 7. Das ist keine gewöhnliche Beziehung. Das ist Lebens- und Vorlebensgeschichte. „Seit 1893 war dieser Ort die Heimat meiner Familie“, sagt die rüstige Seniorin und zeigt Fotos vom Haus wie es früher war. Ein Lebensmittelgeschäft war einst im Erdgeschoß des großen Einfamilienhauses. Als Küngs Mama, eine Kriegswitwe, Mitte der 60iger-Jahre den Laden aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weiterführen konnte, wurde das alte Haus abgerissen. Es kam ein Mehrparteiengebäude hin. Und darin wohnt Annemarie Küng im dritten und obersten Stock seit dessen Fertigstellung.

Anrüchig

„Ich will nicht, dass dieses Haus zu einer Spelunke verkommt“, sagt die Dornbirnerin und macht eine Punktlandung zum Thema. Dieses heißt Wettlokal. Gott sei Dank nun ein Stück jüngerer Vergangenheit. „Als uns der Eigentümer des Geschäftslokals im Parterre seine Absicht mitteilte, dass er die Räumichkeiten an einen Spiellokalbetreiber vermieten werde, war uns schon nicht ganz wohl. Als dieser dann dort war, wollten wir bald nur noch eines: ihn los werden“, berichtet Frau Küng.

Sie erzählt von den Fenstern, die dort zugeklebt wurden. Von der anrüchigen Dekoration mit einem glitzrigen Rot, von den Kameras, die bald jeden registrierten, der vor der Eingangstür stand. „Für uns Hausbewohner war klar, dass dort unlautere Umtriebe vor sich gingen. Wir fühlten uns nicht mehr wohl. Wir wollten das einfach nicht bei uns“, beschreibt Küng das Gefühl, das sie und die anderen Hausbewohner beschlich.

Putzfrau floh

Dabei war es nicht nur das ungute Gefühl. Es habe für die Hausbewohner auch unangenehme Vorfälle gegeben. Der kleine Platz vor dem Haus war immer wieder zugeparkt, Zigarettenstummeln lagen in großer Zahl vor dem Hauseingang und auch manch ein Besucher des Lokals sorgte für unangenehme Erlebnisse. „Wir hatten zum Beispiel einmal eine junge hübsche Putzfrau. Die wurde von den Lokalbesuchern angemacht. Diese setzten sich sogar auf ihr Auto. Es kam dann wie es kommen musste: Unsere Putzfrau kündigte.“ Eine andere Mitbewohnerin habe sich nicht mehr in den Keller getraut. Sie hatte auch Angst, beim Treffen mit den VN dabei zu sein.

„Ich hab’ keine Angst“, sagt Annemarie Küng. „Nie gehabt.“ Mutig und entschlossen setzte sie sich mit den anderen gegen das ungeliebte Lokal zur Wehr. „Den ersten Erfolg gab es für uns, als der Betreiber die Kamera entfernen musste“, schildert die Pensionistin einen frühen Etappensieg gegen die unerwünschten Mitbewohner im Parterre. Noch bei der Polizei habe man ihr gesagt, wie heikel das mit den Lokalbetreibern sei.

Lob von Schwärzler

Aber die Bewohner ließen sich nicht einschüchtern. Hartnäckig und unnachgiebig verfolgten sie ihr Ziel. Und siehe da: „Am Ende erreichten wir unser Ziel. Der Betreiber musste raus.“ Zur Hilfe sei ihnen gekommen, dass die mittlerweile zweite dort agierende Gesellschaft Pleite ging. Der von den Wohnungseigentümern im Jahre 1966 unterschriebene Vertrag erwies sich dabei als Goldes wert. Dort steht geschrieben, dass es im Haus kein Abendgastgewerbe geben dürfe. Gastgewerbliche Aktivitäten hätten spätestens um 20.30 Uhr zu enden.

Ehrfürchtig hält Annemarie Küng das zwischenzeitlich etwas vergilbte Papier in den Händen und schweift zurück in die Vergangenheit. „Das Haus“, sagt sie ein weiteres Mal, „ist mir viel wert. Es ist ein Stück Seele.“ In ihren 78 Lebensjahren hat die ehemalige Operettensängerin niemals irgendwo anders gewohnt.

Natürlich gehe es ihr auch um den materiellen Wert des Gebäudes. „Man sagte uns zu Recht, dass die Wohnungen weniger Wert würden, wenn sich so dubiose Parteien einmieten“, argumentiert Küng.

In ihrer Not hatte sie sich auch an Sicherheitslandesrat Erich Schwärzler (63) gewandt, der ihr seinen Respekt für ihre Wehrhaftigkeit aussprach. Jetzt ist sie stolz darauf, den Kampf gewonnen zu haben und will andere ermutigen, dasselbe zu tun.

Ich will nicht, dass dieses Haus eine Spelunke wird.

Annemarie Küng