Ciao, Matteo!
Matteo Renzi, zurückgetretener Ministerpräsident Italiens, hat sich mit einem Tweet „Ciao an alle und danke“ vom Wahlvolk verabschiedet. Die abgelehnte Verfassungsreform ist vom Tisch. Das italienische Parlament wird auch in Zukunft aus zwei völlig gleichberechtigten Kammern, der Abgeordnetenkammer und dem Senat, bestehen, die beide von den Bürgern direkt gewählt werden.
Vielleicht kommt es in Italien bald zu Neuwahlen, bei denen Renzi noch einmal sein Glück versuchen könnte. Das neue italienische Wahlgesetz für die Abgeordnetenkammer (für den jetzt doch nicht abgeschafften Senat muss erst noch ein neues Wahlgesetz beschlossen werden) sieht übrigens eine interessante Regelung vor: Wenn eine Partei als Wahlgewinnerin mindestens 40 Prozent der Stimmen erlangt, bekommt sie einen Bonus, der ihr 55 Prozent der Sitze in der Abgeordnetenkammer beschert. Wenn keine Gruppe 40 Prozent schafft, kommt es zu einer Stichwahl zwischen den beiden stärksten Parteien. Der Sieger erhält dann die 55 Prozent der Sitze. Italienische Mathematik: Mach aus einem ursprünglichen Stimmenanteil von unter 40 Prozent 55 Prozent!
Das ist nicht sehr demokratisch, aber trotzdem nicht ungewöhnlich: Das in Großbritannien bestehende Mehrheitswahlrecht hat den Konservativen mit einem Stimmenanteil von etwa 36 Prozent eine absolute Mehrheit verschafft, obwohl der Abstand zur zweitstärksten Partei nur etwa sechs Prozent betragen hat.
Der Vorteil eines solchen Wahlsystems liegt darin, dass es dadurch leichter zu regierungsfähigen Mehrheiten im Parlament kommt und lähmende Koalitionen zwischen zwei oder gar drei Parteien vermieden werden. In den letzten Jahren waren solche Ideen auch in Österreich beliebt, um der schicksalhaften rot-schwarzen Umklammerung zu entgehen. Seit aus Umfragen bekannt ist, welche Partei derzeit vom „the-winner-takes-it-all“-Prinzip profitieren würde, sind die Vorschläge allerdings schlagartig verstummt.
Trotzdem sollte man darüber nachdenken, wie das österreichische Wahlsystem verbessert werden könnte. Man könnte beispielsweise, wie vom Verfassungsrechtler Klaus Poier aus der Steiermark vorgeschlagen, 100 Abgeordnete direkt im Wege eines Mehrheitswahlrechts wählen lassen und den Rest nach dem bisherigen Verhältniswahlrecht, das auch kleine Parteien berücksichtigt. Damit würden viel stärker als bisher Persönlichkeiten in das Parlament gewählt werden und klarere Mehrheitsverhältnisse geschaffen.
Das ist nicht sehr demokratisch, aber trotzdem nicht ungewöhnlich.
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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