Eine rechtliche Gratwanderung

Vorarlberg / 09.01.2017 • 20:40 Uhr
Sollen Ärztinnen in den Krankenhäusern ein Kopftuch tragen dürfen? Foto: DPA
Sollen Ärztinnen in den Krankenhäusern ein Kopftuch tragen dürfen? Foto: DPA

Kopftuchverbot in öffentlichen Institutionen: Personalvertreter mahnen zur Ruhe.

Schwarzach. Glaube ist eine emotionale Sache. Religion berührt das Herz. Diskussionen über religiöse Symbole werden schnell zu einem emotionsgeladenen Disput; derzeit zu beobachten in der Debatte über das Kopftuch. Genauer: über dessen Verbot im öffentlichen Dienst. Am Donnerstag erwähnte Heinz Faßmann, dass er sich vorstellen könne, Staatsdienerinnen in bestimmten Bereichen das Tragen des Kopftuches zu verbieten. Faßmann ist Integrationsexperte und Berater der Bundesregierung, die derzeit an einem Integrationsgesetz arbeitet. Für Faßmann müssen Beamte neutral auftreten. Ein Kopftuchverbot wäre demnach ein Zeichen der Säkularität, der Trennung von Kirche und Staat.

Schnelle Reaktionen

Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) unterstützte den Vorschlag. Der Bund prüft nun die Idee und ob sie überhaupt rechtlich umsetzbar ist. Am Samstag ließ Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) in einem ORF-Interview durchblicken, dass der Vorschlag grundsätzlich vorstellbar wäre. Zu den VN sagt er: „Der Bund sieht sich das jetzt an. Wir bewegen uns hier auf einer rechtlichen Gratwanderung, schließlich steht einem Verbot die Antidiskriminierung gegenüber. Grundsätzlich kann ich mir das vorstellen, vor allem in den Bereichen Polizei, Justiz und Schule.“ Es folgte harsche Kritik; von der Österreichischen Islamischen Föderation und der islamischen Glaubensgemeinschaft, die sich vehement gegen ein Kopftuchverbot wehren. Und von der FPÖ, die in Wallners Aussagen leere Worte sieht und Taten sehen will. Arbeitsrechtsexperte Roland Auer von der Vorarlberger Arbeiterkammer (AK) erklärt, dass für ein Verbot derzeit die Rechtsgrundlage fehle: „Wir bewegen uns in einem Spannungsfeld. Wäre ein solches Verbot diskriminierend gegenüber einer Religion? Es müssten alle Religionen gleich behandelt werden. Nur wenn das gewährleistet ist, könnte ein solches Verbot halten.“

Die Betroffenen – zumindest deren Personalvertreter – mahnen im Gespräch mit den VN zur Ruhe. Eugen Lampert, Vorarlbergs Vorsitzender der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD), sind keine Probleme durch erlaubte oder verbotene Kopftücher bekannt. Er will sich nicht in die politische Diskussion einmischen, ist sich aber sicher: „Sollte ein Verbot kommen, müsste man sich genauer ansehen, ob es nicht zu einer Ungleichbehandlung kommt.“ Bei der Polizei seien durch die Uniformordnung sowieso keine religiösen Symbole erlaubt. Wolfgang Stoppel, Chef der Vorarlberger Gewerkschaft für Gemeindebedienstete „younion“, führt aus: „Ich würde das Kopftuch nicht generell verbieten, würde aber auch das Kreuz nicht von der Wand verbannen.“ Wenn eine Frau wegen ihrer Religion mit Kopftuch arbeiten will, soll sie das dürfen: „Sie muss sich aber auch gefallen lassen, unter einem Kreuz zu arbeiten. Das gehört nämlich auch dazu.“ Stoppel hat allerdings nichts Grundsätzliches gegen ein Verbot einzuwenden, allerdings soll das eine Organisation selbst entscheiden können. „Wie zum Beispiel ein Krankenhaus“, erklärt er.

Grün und Rot zurückhaltend

FPÖ-Landtagsabgeordneter Christof Bitschi bietet sich indes an, einem Verbot zuzustimmen: „Wenn es Wallner damit ernst ist, kann er das mit Unterstützung der FPÖ jederzeit umsetzen.“ Wallners Regierungspartner gibt sich zurückhaltender. Der grüne Klubobmann Adi Gross glaubt: „Ein Verbot wäre verfassungsrechtlich in hohem Maße problematisch und würde wahrscheinlich nicht halten. Außerdem will ich niemandem unterstellen, nicht neutral zu sein, nur weil er ein religiöses Symbol trägt.“ Wenn überhaupt, dann müsse man über alle Symbole sprechen: „Für mich hat die Diskussion den Geschmack einer Stellvertreterdiskussion gegen eine Religion. Das stört mich.“ SPÖ-Vorsitzende Gabriele Sprickler-Falschlunger will sich noch nicht festlegen: „Wir werden das erst parteiintern diskutieren müssen. Ich persönlich habe kein Problem mit einem Verbot, aber man muss sich der Konsequenzen bewusst sein.“ Zum Beispiel, was das für Putzfirmen im Krankenhaus bedeute.

Bei der Polizei sind Symbole an der Uniform verboten.

Eugen Lampert

Die Organisationen sollen selbst entscheiden können.

Wolfgang Stoppel