“Ich muss als Schule frei sein”

Vorarlberg / 29.03.2017 • 21:12 Uhr
Professor Stefan Hopmann ist gegen Bildungsstandardtests und gemeinsame Schule.  Foto: VN/Paulitsch
Professor Stefan Hopmann ist gegen Bildungsstandardtests und gemeinsame Schule. Foto: VN/Paulitsch

Gesamtschule und Standardtests machen Schule nicht besser – glaubt Hopmann.

Schwarzach. Im VN-Interview outet sich der Bildungswissenschaftler als Anhänger eines differenzierten Schulsystems.

Wie beurteilen Sie die Ergebnisse des jüngsten Bildungsstandardtests?

Hopmann: Diese Tests sind vergeudete Zeit und vergeudetes Geld. Noch kein standardisierter Test hat jemals zu einer Verbesserung von Leistung und zur Verbesserung von Chancen geführt. Zweitens üben solche Tests Druck auf den Unterricht aus. Diese Tests bauen alle auf der Fiktion der Lehrplanabdeckung auf. Dabei weiß man doch, dass guter Unterricht die Auswahl von Inhalten bedeutet, damit man seriös Sachen behandeln und vertiefen kann. Im Zusammenhang mit solchen Tests kommt es zu einem Schrumpfen auf Testrelevantes. Und dann verkündet eine Landesrätin: Ihr müsst mehr Testrelevantes machen. Die Messung wird dann zum Zweck des Unterrichts. Was ist denn das für eine Qualität? Wesentliche Teile dessen, was im Unterricht den Schülern vermittelt wird, können Sie aber gar nicht testen.

Was sagen Sie zum jetzt vorliegenden Autonomiepaket im Rahmen der Bildungsreform?

Hopmann: Es wird nichts ändern. Das Autonomiepaket legalisiert ein paar Dinge, welche gute Schulleiter ohnehin schon tun. Es führt eine völlig unsinnige Cluster-Regelung ein, die nur unnotwendig verkompliziert. Wenn’s gut geht, wird das Autonomiepaket unschädlich sein. Gute Autonomie bedeutet Einfluss auf Personalstruktur, auf die Budgetstruktur und auf die Gestaltung des Schultages. Das heißt: Ich muss als Schule frei sein. Und nicht nur der Schulleiter. Was wir hier haben, ist eine Zuständigkeitsautonomie.

Wenn Sie eine Schulreform machen müssten, was würden Sie machen?

Hopmann: Gar nichts. Weil es die perfekte Schule nicht gibt. Jeder Standort hat verschiedene Jugendliche, Lehrer und verschiedene Handlungsbedingungen. Jede Schule braucht ihre Lösung. Meine Schulreform bestünde darin, dass ich den Schulen sagen würde: Ihr müsst herausfinden, was für euch notwendig ist. Erst wenn euch das überhaupt nicht gelingt, helfen wir euch. Ich würde den Shredder aufbauen und sämtliche Erlässe vom Minoritenplatz hineinwerfen. Erfolgreiche Schulen haben Kultur, eine klare Identität. Wenn du diese betrittst, dann weißt du, wo du bist.

Sie behaupten, der migrantische Hintergrund ist kein Problem.

Hopmann: Es gibt kein Migranten- und Sprachproblem, es gibt ein Ressourcenproblem. Diese Kinder müssen in der Schule lernen können, was sie für die Schule brauchen, wenn sie nicht das außerschulische Backup haben. Wir müssen Schule so umbauen, dass jene Schüler, die mehr Hilfe brauchen, diese bekommen.

Sie sind ein bekennender Gegner einer Modellregion mit gemeinsamer Schule. Warum?

Hopmann: Das stimmt so nicht. Befürworter von Modellregion und gemeinsamer Schule argumentieren, dass die Kinder dort gemeinsam zur Schule gehen würden. Es gibt die fiktive Gesamtschule, wo Murat mit dem Arztsohn acht Jahr zusammensitzt, nicht. Gesamtschulen entwickeln andere Formen sozialer Trennung. Je weniger das öffentliche Schulsystem differenziert, umso mehr werden die bildungsinteressierten Eltern auf eigene Rechnung differenzieren.

Es ist doch wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder am besten von anderen Kinder lernen. Dass also leistungsstärkere und leistungsschwächere Schüler zusammenkommen sollen?

Hopmann: Aber nur, wenn sie das Lernen der anderen mitbekommen. Kinder lernen durch das Mitvollziehen des Lernens des anderen. Wenn ich mitbekomme, wie die Marie neben mir das macht.

Eben.

Hopmann: Dafür brauche ich aber nicht Starke mit Schwachen. Ich brauche Schulen mit Lernmilieus. Homogene Lerngruppen sind produktiver füreinander als inhomogene.  Alle Fantasien über Zwangsumverteilung von Schülern sind in freien Gesellschaften stets gescheitert.