Vorbild EU?
Wenn Großbritannien aus der EU austritt, werden die derzeit in London ansässigen Einrichtungen der EU abgesiedelt und in andere Mitgliedstaaten verlegt. Österreich hat bereits Interesse bekundet, die Medizin-Agentur zu erhalten und will sie in Wien unterbringen. Die Idee, dass vielleicht auch ein anderer Ort Österreichs infrage käme, etwa Innsbruck mit seiner angesehenen Universitätsklinik, verfolgt von vornherein niemand.
Österreich ist ein Bundesstaat, trotzdem sind praktisch alle wichtigen Behörden und Verwaltungsapparate, die die Landesgrenzen überschreiten, in Wien angesiedelt. Die dadurch erzeugte Sogwirkung, die sich auch in der Wirtschaft widerspiegelt, ist in mehrfacher Hinsicht teuer: von den Verkehrsproblemen über die Immobilienpreise bis hin zu den Lebenshaltungskosten. Am schwersten wiegt jedoch der sogenannte „Brain-drain“ in den Ländern, der Verlust hochqualifizierter junger Menschen, die in den Regionen nicht ausreichend adäquate Beschäftigungsmöglichkeiten finden und nach Wien ziehen (müssen), wo entsprechend gute Karrierechancen im Öffentlichen Dienst und seinem Umfeld winken. Das kostet die Länder Entwicklungschancen und Innovationskraft.
Was eine gute räumliche Verteilung von wichtigen Einrichtungen betrifft, ist gerade die vielgescholtene EU ein Vorbild: Zwar befindet sich mit der Kommission der Regierungsapparat in Brüssel, aber der EuGH sitzt beispielsweise in Luxemburg und die Europäische Zentralbank in Frankfurt. Vor allem aber sind etwa 40 Agenturen der EU, wie etwa die Grundrechteagentur in Wien, EUROPOL, die Einrichtung für polizeiliche Zusammenarbeit, in Den Haag oder die Grenzschutzagentur Frontex in Warschau auf die Mitgliedstaaten verteilt. In Spanien beispielsweise haben die EU-Agenturen ihren Sitz nicht in der Hauptstadt, sondern in den Regionen. Damit wird ein wichtiger Beitrag dazu geleistet, dass die Zentrale Brüssel nicht völlig dominiert, sondern auch die Mitglieder Vorteile aus der Ansiedlung von Behörden und Forschungseinrichtungen ziehen können.
In Österreich kann Bundeskanzler Kern der von Landwirtschaftsminister Rupprechter propagierten Idee der Verlagerung von Bundesbehörden in die Länder offenbar wenig abgewinnen: Wir hätten ohnehin schon zu viel Verwaltung, argumentierte er im VN-Interview am Thema vorbei. Schade, denn eine ausgewogenere Entwicklung der Regionen in Österreich wäre nicht nur im Interesse großer Teile der Bevölkerung, sondern könnte uns helfen, Geld zu sparen.
In Spanien beispielsweise haben die EU-Agenturen ihren Sitz nicht in der Hauptstadt, sondern in den Regionen.
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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