“Ein solches Minus ist erschütternd“

Neues Gemeindegesetz und leere Rathauskassen: Verbandspräsident bezieht Stellung.
Hard. Vorarlbergs Gemeinden haben es nicht leicht. Die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen öffnet sich von Jahr zu Jahr mehr. In so manchen der 96 Kommunen treiben die nüchternen Zahlen den Gemeindechefs die Sorgenfalten auf die Stirn. Gegensteuern lautet die Devise. Die VN sprachen mit Harald Köhlmeier als Präsident des Gemeindeverbandes.
Welche Rolle hat der Gemeindeverband im Land?
Köhlmeier: Wir sind die Interessenvertretung der Vorarlberger Kommunen. Unsere Schwerpunkte sind die Stärkung der Gemeindeautonomie und die finanzielle Entlastung.
Wie weit sind dazu die Verhandlungen zwischen Land und Gemeinden?
Köhlmeier: Uns drückt der Schuh in zwei Bereichen: in der Spitalsfinanzierung und beim Sozialfonds. Bei den Spitälern haben wir schon 2015 ein Entlastungspaket mit dem Land geschnürt. Im Sozialfonds sind auch erste Weichenstellungen durch die Deckelung passiert. Unsere Forderung ist aber, dass wir hier um 18 Millionen Euro entlastet werden.
Wie haben sich die Finanzierungsbeiträge entwickelt?
Köhlmeier: Im Zehnjahresvergleich sind die Beiträge der Gemeinden an den Sozialfonds von 48 Millionen auf 103 Millionen und bei den Spitalsbeiträgen von 34 Millionen auf 71 Millionen Euro gestiegen, die Einnahmen aber nur um 48 Prozent.
Die Ertragsanteile sollen ja dieses Jahr wieder steigen.
Köhlmeier: Eigentlich war die Prognose, dass sie stagnieren oder nur ganz leicht wachsen. Nach fünf Monaten haben wir landesweit ein Minus von sieben Prozent, das sind elf Millionen Euro. Das ist erschütternd.
Vorarlbergs Gemeinden sind mit rund einer Milliarde Euro verschuldet.
Köhlmeier: Die Zahl scheint dramatisch. Aber in Wahrheit wird es erst schwierig, wenn man die Darlehen für die Investitionen nicht mehr bedienen kann. Auch die Pro-Kopf-Verschuldung ist nicht aussagekräftig. Wenn Warth eine Zwei-Millionen-Investition tätigt, ist die Verschuldung natürlich hoch. Das heißt aber nicht, dass die Darlehen nicht bedient werden können. Deshalb ist eigentlich die laufende Gebarung die wichtige Größe.
Bei den Verhandlungen zum Gemeindegesetz werden Sie von einer Seite als Bremser dargestellt. Bremsen Sie?
Köhlmeier: Derzeit liegen 19 Punkte auf dem Tisch, denen wir die Zustimmung erteilt haben, zum Beispiel die Präzisierung der Befangenheitsregeln oder getrennte Stimmzettel. Darüber hinaus haben wir auch bei der Abschaffung des innergemeindlichen Instanzenzugs nachgegeben. Wir haben uns bereit erklärt, dass das Budget vor der Beschlussfassung öffentlich aufgelegt wird. Was wir allerdings merken, ist eine starke Zerrissenheit innerhalb der Grünen.
Inwiefern?
Köhlmeier: Mit der Spitze der Grünen stehen die Bürgermeister im konsensualen Dialog. Wir haben aber eine fundamental-oppositionell agierende Basis in den Gemeinden, die von großem Misstrauen gegenüber den Bürgermeistern getrieben ist. Aus dieser Ecke kommt auch diese überbordende Kontrollsehnsucht. Eine Reform darf nicht zur bürokratischen Lawine führen.
Wie beim Anfragerecht?
Köhlmeier: Da haben wir auch eingelenkt, das ist auch unter den 19 Punkten. Der umstrittenste Punkt ist die Aufsichtsbeschwerde. Die gibt es ja jetzt schon. Die Bezirksbehörde recherchiert und dann gibt es eine Stellungnahme.
Das war’s dann aber auch. Es fehlt die Verbindlichkeit.
Köhlmeier: Ich bin seit acht Jahren Bürgermeister, bisher habe ich erst eine einzige Aufsichtsbeschwerde eines Bürgers erlebt. Der Rest war von der Opposition vorgetragen, parteipolitisch motiviert. Und wenn etwas rechtswidrig ist, werden sowieso unterschiedliche Institutionen aktiv. Man ist eh gut kontrolliert.
Muss das Gemeindegesetz überhaupt reformiert werden?
Köhlmeier: In diesem Punkt sicher nicht. Es gibt ja Konsens, wenn es um Transparenz, um Klarheit, um Rechtssicherheit geht. Aber Bürgermeister sind nicht per se böse Leute, die Negatives im Schilde führen. Dieser Eindruck entsteht aber leider durch derartige Diskussionen.
Auch das Raumplanungsgesetz wird novelliert. Die Initiative V-hoch-drei hat kürzlich Forderungen deponiert. Decken die sich mit Ihren?
Köhlmeier: Wir haben lange vor der Initiative Forderungen an das Land gerichtet, zum Beispiel, dass Gemeinden mit der Landwirtschaft gleichgestellt werden, wenn es etwa um Grundstücke für Wohnbau geht. Wir freuen uns, dass die Initiative uns den Rücken stärkt, auch wenn wir nicht alles befürworten. Die Infrastrukturabgabe führt etwa am Ziel vorbei.
Ist die Landesgrünzone für Sie in Stein gemeißelt?
Köhlmeier: Nein, aber der maßvolle Umgang mit Grund und Boden. Vorarlberg ist in vier Jahrzehnten um 120.000 Einwohner und 50.000 Arbeitsplätze gewachsen. In dieser Zeit ist die derzeit viel zitierte Grünzone von 13.629 auf 13.608 Hektar zurückgegangen.
Zur Person
Harald Köhlmeier
Fungiert seit 2010 als Bürgermeister von Hard und seit 2013 als Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes
Geboren: 11. August 1972
Familie: verheiratet, ein Sohn
Beruf: Tourismusmanager
Hobby: Gitarre und Tauchen