Integration muss auf neue Basis gestellt werden

Probleme zwingen Land zum Handeln. Anton Strini bekommt mehr Verantwortung.
Bregenz. Vorarlberg gilt im Umgang mit der jüngsten Flüchtlingskrise als Vorbildland, auch der Plan für den Integrationsprozess sorgte für Anerkennung. Gemeinden arbeiten zusammen, fast jede Kommune beherbergte Flüchtlinge und schon früh durften auch Asylwerber Deutschkurse besuchen. Doch die Zeit zeigt: So eitel Wonne ist die Situation nicht.
Viele Flüchtlinge sind in ihren Kursen überfordert, manche mussten sie schon viermal wiederholen. Auch der Weg von der Mindestsicherung in den Arbeitsmarkt gestaltet sich schwierig. Dies hat Anton Strini herausgefunden. Der ehemalige Landesvorsitzende des AMS ist seit acht Monaten Vorarlbergs Arbeitsmarktkoordinator im Flüchtlingsbereich. Strini schätzt, dass zwischen 300 und 400 Personen ihre Deutschkurse nicht geschafft haben, aus welchen Gründen auch immer. Am Dienstag hat ihn die Landesregierung befördert. Er löst Erwin Bahl als Flüchtlingskoordinator ab. Zudem wird eine Stabsstelle eingerichtet.
Kriterienkatalog
Derzeit sind rund 700 Flüchtlinge beim AMS gemeldet, 450 davon sind mit dem jüngsten Zuzug gekommen. Weitere 1400 beschäftigungsfähige Flüchtlinge befinden sich derzeit im System der Bezirkshauptmannschaft. Erst das AMS kann Jobs vermitteln und Bewerbungen einfordern. Rund 60 Flüchtlinge wechseln monatlich vom BH-System ins AMS-System. Zu wenig, sagt Strini. „Wir möchten die Zahl auf 120 pro Monat erhöhen, bis alle Beschäftigungsfähigen beim AMS gemeldet sind.“ Deshalb werden Kriterien festgelegt, wonach die BH einheitliche Entscheidungen treffen kann, wann sich ein Flüchtling beim AMS melden muss. Dabei spielt die Sprache eine große Rolle – ein weiteres Problem.
Derzeit werden Deutschkenntnisse kaum geprüft. „Wir wissen nicht, weshalb Flüchtlinge in der Mindestsicherung sind.“ Vielleicht befindet sich jemand in einer Ausbildung, eventuell ist eine Frau schwanger. „Wir werden uns jeden Fall ansehen müssen, ob es an der Sprache liegt. Sollte das die BH feststellen, wollen wir die Möglichkeit schaffen, eine Sprachförderung unkompliziert zu initiieren.“ Zudem müsse bei den Deutschkursen eine einheitliche Abschlussprüfung her. Außerdem soll den BH ermöglicht werden, Sprachkenntnisse freihändig einzuschätzen. Wenn jemand gut deutsch spricht, soll er auch ohne Zeugnis zum AMS gehen.
Beim Spracherwerb kommt eine weitere Herausforderung dazu. Vor zwei Jahren erhielten hauptsächlich Syrer Asyl, ein Verfahren dauerte höchstens sechs Monate. Mittlerweile sind andere Nationalitäten im Mittelpunkt, ein Verfahren benötigt bis zu zwei Jahre. „Ein Asylwerber sollte schon während des Verfahrens auf ein Deutschniveau von A1 ausgebildet werden“, betont Strini.
Politik erfreut
Sprache, Arbeit, Wohnen, Ausbildung, Integration; so vielfältig die Aufgaben, so zahlreich die Beteiligten. Strini soll die Stellen koordinieren. Seine Stabsstelle ist direkt dem Landeshauptmann unterstellt, mit Zugriff auf alle beteiligten Ressorts. „Strini ist ein ausgewiesener Arbeitsmarktexperte“, freut sich Markus Wallner (ÖVP) über den Personalwechsel. „Er bringt viel Know-how für seine neue Tätigkeit mit“, fügt Landesrat Johannes Rauch (Grüne) an. Strini rechnet, dass in Zukunft zumindest 800 weitere beschäftigungsfähige Flüchtlinge Asyl erhalten. Am 1. August nimmt er seine neue Arbeit auf. Zu tun hat er also genug.
Wir wissen zum Teil nicht einmal, weshalb Flüchtlinge noch in der Mindestsicherung sind.
Anton Strini
Asyl in Vorarlberg
Derzeit leben 3030 Flüchtlinge in Vorarlberg in der Grundversorgung, was einer Quotenerfüllung von 97,21 Prozent entspricht. Die Zahl der Neuankömmlinge hält sich laut Auskunft des Landes die Waage mit jenen, die einen positiven Bescheid erhalten.
Quartiersentwicklung:
» Jänner: 656 Quartiere
in 83 Gemeinden
» Februar: 661 Quartiere
in 81 Gemeinden
» März: 675 Quartiere
in 81 Gemeinden
» April: 679 Quartiere
in 79 Gemeinden
» Mai: 679 Quartiere
in 77 Gemeinden
» Juni: 661 Quartiere
in 76 Gemeinden
Kosten Grundversorgungsleistungen (Unterkunft, Verpflegung, Betreuung), Nettofinanzierungsbedarf für Sozialfonds:
» 2015: 12.556.783 Euro
» 2016: 17.031.642 Euro