Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Katalonien

Vorarlberg / 05.10.2017 • 21:36 Uhr

Am vergangenen Sonntag waren verstörende Bilder aus Barcelona zu sehen: Menschen, die sich an einer Abstimmung beteiligen wollten, wurden von der spanischen Polizei brutal verprügelt. Diese beschlagnahmte auch Wahlurnen und sperrte Wahllokale. Die Polizei wollte eine Abstimmung der Region Katalonien über den Verbleib im spanischen Staat verhindern. Man kann der Kritik am Vorgehen der Polizei durchaus entgegenhalten, dass es sich um eine widerrechtliche Abstimmung handelte und es im Kalkül des katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont lag, dass einige seiner Landsleute eine Tracht Prügel bezogen. Schließlich wurden dadurch genau jene Bilder in die Welt gesendet, die er benötigte, um Solidarität zu erzielen.

Die Katalanen berufen sich auf ein Selbstbestimmungsrecht, das es völkerrechtlich nicht gibt. Es gibt auch kaum eine Verfassung eines Staates, die eine Abspaltung von Teilen des Staatsgebiets zulässt. Ausnahmen sind Liechtenstein und Äthiopien. Anders als in der Franco-Zeit werden die Katalanen nicht mehr unterdrückt und genießen eine beachtliche Regionalautonomie. So wird beispielsweise in den Schulen die eigene Sprache des Landes, das Katalan, unterrichtet. Auch kulturell gibt es Unterschiede. So wurde dort beispielsweise der Stierkampf erstmals verboten.

Trotzdem sind Szenen wie vor ein paar Tagen in Katalonien in einer Demokratie völlig inakzeptabel. Hier wäre eigentlich die Europäische Union gefordert. Diese hat sich bisher mit dem Hinweis, es handle sich um eine interne Angelegenheit Spaniens, nicht mit dem Konflikt befasst. Demgegenüber hat sich die Union zu Recht in die inneren Angelegenheiten Polens eingemischt, weil dort die Unabhängigkeit der Gerichte in Gefahr ist. Mit Prügelpolizei gegen Bürger vorzugehen, die sich an einer demokratischen Abstimmung beteiligen wollen, widerspricht ebenso den europäischen Werten.

Es wäre gut, wenn sich alle Beteiligten an ein weises Urteil des kanadischen Obersten Gerichtshofs halten würden, das dieser 1998 zur Frage, ob sich die französischsprachige Provinz Quebec aus dem kanadischen Staatsverband lösen dürfe, gefällt hat. Das Gericht erklärte, auch wenn es in der Verfassung kein Recht auf Sezession gebe, dürfe sich der Staat dem erklärten demokratischen Willen eines Teils seiner Bevölkerung nicht verweigern. Spreche sich ein Teil für eine Sezession aus, müssten Verhandlungen in die Wege geleitet werden und sich beide Seiten sachlich um eine Lösung bemühen, an deren Ende die Abspaltung stehen könnte. Vielleicht war gerade dieses Urteil, das einen, wenngleich langwierigen, aber geordneten Weg für eine Sezession aufzeigte, ausschlaggebend dafür, dass die Unabhängigkeitsbestrebungen in der kanadischen Provinz seither eher rückläufig sind.

„Die Katalanen berufen sich auf ein Selbstbestimmungsrecht, das es völkerrechtlich nicht gibt.“

Peter Bussjäger

peter.bussjaeger@vn.at

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.