Theorie und Praxis
Der für den öffentlichen Dienst zuständige Vizekanzler und der auch für die Verwaltungsreform zuständige Justizminister lieferten sich letzte Woche eine unerwartete Auseinandersetzung. Nach der Einigung mit dem Finanzminister über das nächste Budget bemerkte Justizminister Moser plötzlich, doch mehr Geld als vereinbart zu benötigen. In den Gerichten braute sich nämlich großer Unmut über seine Sparpläne zusammen. Während die Anforderungen an die Justiz immer größer werden und Verfahren beschleunigt werden sollten, würde mit der geplanten Stellenkürzung das Gegenteil bewirkt. Dazu würde auch die Ausbildung von dringend benötigtem Nachwuchs wesentlich erschwert.
Vizekanzler Strache ließ seinen Regierungskollegen umgehend wissen, dass Nachverhandlungen über mehr Geld nicht infrage kämen und der Justizminister die vereinbarten Einsparungen eben anders gestalten müsse, als Planstellen in den Gerichten zu kürzen. Auf diese Weise lernt der frühere Rechnungshofpräsident Josef Moser als nunmehriger Justizminister den Unterschied zwischen Theorie und Praxis kennen.
Das wird er auch bei einem als großen Reformschritt in den Vordergrund gestellten Vorhaben merken, der Rechtsbereinigung. Soweit sie nicht mehr benötigt werden, sollen alle vor dem Jahr 2000 kundgemachten Gesetze außer Kraft gesetzt werden. Das klingt gut, auch wenn es nicht mehr neu ist. Sowohl der Bund als auch die Länder haben ihren Rechtsbestand schon früher auf ähnliche Weise bereinigt, sodass der gröbste Schotter an nicht mehr benötigten Vorschriften bereits weggeräumt sein dürfte. Was den Einsparungseffekt einer solchen Maßnahme betrifft: Gesetze, die nicht mehr angewandt wurden, haben auch keinen Verwaltungsaufwand mehr verursacht.
Wesentlich wichtiger wäre es, bei neuen Gesetzen unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. In ihren Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen der Bundesregierung machen die Länder ebenso häufig wie meistens ergebnislos darauf aufmerksam, dass der Sinn so mancher Regelung unklar sei und sie jedenfalls zu einem überbordenden Verwaltungsaufwand führen würde. Jüngstes Beispiel sind die neuen Vorschriften für den Datenschutz, die so manchem kleinen Unternehmer und ehrenamtlichen Vereinsfunktionär die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Natürlich geht das weitgehend auf neue Regelungen der EU zurück, mit denen die Rechte gegenüber Datensammelgiganten gestärkt werden sollen. Man hat aber nicht gehört, dass sich die österreichischen Regierungsvertreter in Brüssel dagegen gewehrt hätten, dass da eine großflächige und vielfach unverhältnismäßige Datenschutzbürokratie heranwächst. In zehn Jahren wird das die nächste Baustelle für eine Verwaltungsreform sein.
„Wichtiger wäre, unnötigen neuen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.“
Jürgen Weiss
juergen.weiss@vn.at
Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.
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