Großbritannien als Warnung

Vorarlberg / 03.04.2018 • 19:49 Uhr
Großbritannien als Warnung

Die Briten zeigen, was geschehen kann, wenn Vorarlberg die Politik nicht ändert.

Dornbirn Böden im Rheintal sind begehrte Investitionsobjekte. Das Angebot ist gering, die Nachfrage groß; der Wert steigt und steigt. Dies hat zur Folge, dass sich immer weniger Menschen ein Grundstück leisten können, womit der Traum vom eigenen Haus für viele längst zur Utopie geworden ist. Auch Unternehmen ringen um die letzten verbliebenen Grünflächen. Doch geplatzte Träume und erschwertes physisches Wachstum sind bei Weitem nicht die einzigen Folgen der Baulandhortung. Flächenpolitik ist längst zu einer sozialen Frage geworden, wie Gerald Mathis betont. Mathis leitet das Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung in Dornbirn sowie den Studiengang Standort- und Regionalmanagement an der FH Dornbirn. Am Donnerstag ist er bei einer Veranstaltung der Initiative „Vau hoch drei“ in Schruns zu Gast.

Mathis bemüht das Beispiel Großbritannien. Im Jahr 1995 wurde der Wert aller Wohnimmobilien im Land auf 1,2 Billionen Pfund geschätzt. 2016 lag dieser Betrag bereits bei 5,48 Billionen. Der Wert von Immobilien der Wirtschaft stieg in diesem Zeitraum von 0,86 auf 2,05 Billionen. Mathis fährt fort: „Diese Entwicklungen sind dramatisch, weil allein die Vermögenswerte in Form von Wohnimmobilien mittlerweile etwa 62 Prozent des Nettovermögens in Großbritannien ausmachen, während sich die Eigentumsquote auf dem niedrigsten Stand seit 1985 befindet.“ Immer weniger Menschen häufen also ein immer größeres Vermögen in Form von Immobilien an. Nach Angaben der „Sunday Times Rich List“ haben 26 der 100 reichsten Personen in Großbritannien ihr Vermögen mit Immobilien erlangt. „Im Vergleich dazu sind andere Vermögensquellen nahezu bedeutungslos“, sagt Mathis. „Steigende Grundstücks- und Immobilienpreise sind jedoch weder innovativ noch produktiv. Vielmehr sind sie unter bestimmten Umständen ein ernstzunehmendes Problem“, warnt der Experte.

Das Vermögen würde sich schleichend verschieben, was auch das Wirtschaftswachstum hemme. Klar sei Großbritannien ein krasses Beispiel, aber auch in Vorarlberg müsse diese Entwicklung zu denken geben. In Österreich seien Wohnimmobilien von 2010 bis 2016 um 30,2 Prozent teurer geworden, Grundstücke und Immobilien im Rheintal sogar um bis zu 400 Prozent. Eine vernünftige Verteilung von Vermögen sei also weder altruistisch noch marxistisch, sondern die Grundlage für gesellschaftliche Sicherheit und sozialen Frieden.

Am Markt teilnehmen

Mathis ist deshalb überzeugt: „Um den Wohlstand möglichst breit aufzuteilen, müssen sich Kommunen und Regionen unternehmerisch aktiv am Immobilienmarkt beteiligen.“ Doch noch immer glaubten viele Kommunen, dass es sich bei Grundstücksfragen ausschließlich um Fragen der Wirtschaft handle. „Allein der freie Markt kann aber nicht die Lösung sein.“ Kommunen müssten sich selbst am freien Markt beteiligen, Grundstücke kaufen und entwickeln. Die klassische Flächenwidmung sei ein veraltetes Instrument, das nicht mehr ausreicht. Damit sich Gemeinden am Grundstücksmarkt beteiligen können, seien entsprechende Rahmenbedingungen nötig: Zum Beispiel eine Arbeitsgruppe, die sich ständig mit dem Thema befasst; ein Einkaufsplan mit Grundstücken, die strategisch wichtig sind, und Finanzierungsmöglichkeiten. Ein zentraler Bodenfonds sei nicht zielführend, der Kauf müsse über die Kommunen direkt abgewickelt werden. Ein Fonds könnte also etwa den Kommunen Geld zur Verfügung stellen.

Dass Wasser und Energie als Grundrecht in der Daseinsvorsorge gelten, ist in Vorarlberg unbestritten. Für Mathis steht fest: Dieses Bewusstsein sollte auch für Wohnraum geschaffen werden.

„Im Vergleich zum Immobilienmarkt sind andere Vermögensquellen bedeutungslos.“

„Aus der Traum vom eigenen Grundstück?“ Mit Gerald Mathis, Hans Hohenfellner, Helmut Kuess, Jürgen Kuster. Donnerstag, 19.30 Uhr, Kulturbühne Schruns