Frau mit speziellem Aussehen
Ich kenne eine Frau, die von sich behauptet, sie sei hässlich. Ich, darauf bedacht, korrekt zu sein, sage, ich fände das übertrieben, sie sei eben speziell.
Die Frau ist eine Zynikerin. Sie sagte: „Okay. Speziell. Und was ist das Spezielle an mir? Sind es meine hervortretenden Augen, sind es meine dicken Beine, ist es mein magerer Oberkörper, mein fetter Hintern?“ Und sie schrie beinahe: „Komm mir nicht mit den inneren Werten!“
Wir saßen in einem Garten mit Kastanienbäumen, leichter Wind wehte, Spatzen hockten auf den Drähten, und flogen sie fort, war es, „als änderten sie ihre Partitur“ – das fiel mir ein.
Die Frau, die ich viele Jahre schon kenne, die aber nicht meine Freundin sein will, weil sie niemandes Freundin sein will, sagte: „Das würde ich auch gern gedacht haben. Mir fällt so etwas nie ein.“
Sie arbeitet in einer Computerfirma, arbeitet aber zu Hause. Sie ist eine Spezialistin. Niemandem aus der Firma kam sie zu Gesicht, nicht einmal bei ihrer Vorstellung hatte sie sich gezeigt. Sie bewarb sich mit der Lösung einer schwierigen Aufgabe und wurde sofort eingestellt.
„Sie trug einen Jogginganzug, und ich fragte mich, ob sie mit dem auch zum Einkaufen ging.“
„Wäre ich ein Krüppel“, sagte sie, „wüsste ich, wohin ich gehöre.“
Ich wusste keine Entgegnung.
Sie habe sich Fähigkeiten angeeignet, die viel Zeit erfordern, sagte sie. Sie hatte eine Menge Zeit. Sie ging nicht aus, verbrachte die meisten Stunden vor dem Computer – darum sei ihr Hintern immer fetter geworden. Schlaf brauche sie wenig.
Sie interessierte mich. Ich gebe es zu. Sie hätte dazu gesagt, „wie du dich für ein noch nicht erforschtes Insekt interessierst“. Ihre Hässlichkeit interessierte mich. Sie hatte niemanden, keine Freunde, mit ihren Eltern war sie nicht in Kontakt, nicht einmal ein Haustier hatte sie.
„Ich könnte dir eine Katze schenken“, sagte ich. „Meine hat vier Junge, und ich muss sie verschenken. Ein Junges ist schwarz, nur die Pfoten sind weiß, das würde zu dir passen, was meinst du?“
„Kein Bedarf“, sagte sie.
Sie trug einen Jogginganzug, und ich fragte mich, ob sie mit dem auch zum Einkaufen ging. Ihre Haare waren zerzaust, ich fragte mich, was kocht sie sich, was isst sie.
„Wenn ich dich zu mir nach Hause zum Essen einlade, würdest du zusagen?“, fragte ich.
„Kommt darauf an, was es gibt.“
„Ich würde dir ein Steak braten, Früchte dazu, schwarzen Kaffee und zum Dessert einen Whiskey, schwarze Schokolade dazu.“
„Okay, wann? Lungenbraten?“
Ich kaufte das beste Stück und gab mir Mühe. Sie trug einen Herrenanzug, eine weiße Bluse, Herrenschuhe und ihre Haare glänzten.
Sie sah sich die Kätzchen an, nahm die schwarze mit den weißen Pfoten auf ihren Arm und fragte: „Kann ich sie haben? Ist es ein Mann oder eine Frau? Was kostet sie?“
Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.
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