Tempo, Tempo
Die Zahl der Verkehrstoten ist in den letzten Jahren in ganz Europa zurückgegangen, so auch in Österreich. Während hierzulande im Jahr 1970 noch 2507 Menschen ihr Leben auf der Straße verloren haben, waren 2018 trotz enormer Zunahme des Straßenverkehres noch 414 Opfer zu beklagen. Umfangreiche Maßnahmen, von Gurtenpflicht bis zur Senkung der Promillegrenze, von Einführung der Airbag-Technologie bis zum Stufenführerschein und zu verkehrsberuhigenden Aktionen reichend, haben klaren Erfolg gebracht. Man kann, wenn man es entschlossen und gezielt angeht, sogar im „Dritten Weltkrieg“ erfolgreich sein, das ist damit bewiesen. Allerdings dürfen wir mit dem Erreichten nicht zufrieden sein, zumal sich in jüngster Zeit eine Umkehr des seit 2001 andauernden Trends abzeichnet und das Ziel der EU, nämlich eine Halbierung der Unfälle, noch lange nicht verwirklicht ist. Jeder Verkehrstote ist einer zu viel, darin sind sich wohl alle einig.
Österreich steht trotz der positiven Entwicklung bei der Verkehrssicherheit weit abseits vom europäischen Spitzenfeld. Während die Zahl der jährlichen Verkehrstoten in unseren Land bei 50 pro einer Million Einwohner liegt und in manchen osteuropäischen Ländern fast doppelt so hoch ist, beträgt sie in skandinavischen Ländern und bei unseren Schweizer Nachbarn nur die Hälfte. Entscheidend ist, ob sich die Politik vom Ziel leiten lässt, die Anzahl der schweren Unfälle weiter zu reduzieren, oder ob man die Kräfte für andere Vorhaben verschwendet.
“Österreich steht trotz der positiven Entwicklung bei der Verkehrssicherheit weit abseits vom europäischen Spitzenfeld.”
Der vom Verkehrsminister vorrangig behandelte Plan zur Erhöhung des Tempolimits auf Autobahnen ist nicht nur überflüssig und sinnlos, sondern in vielfacher Hinsicht kontraproduktiv. Seine Argumente überzeugen nicht: Der Verkehr müsse zügiger gestaltet werden heißt, die Stressbelastung in unserer überschleunigten Zeit noch weiter zu erhöhen. Die Änderung eines Gesetzes mit dessen häufiger Überschreitung zu begründen, bedeutet das Ende jeglicher rechtlicher Prävention. Um zu erkennen, dass höhere Geschwindigkeit das Unfallrisiko Nummer 1 ist, braucht es keine teuren Studien. Dies sagt der normale Hausverstand und ist wissenschaftlich vielfach bewiesen. Hingegen müssten sich alle Anstrengungen auf die Bekämpfung neuer Gefahren, etwa des Handys am Steuer, und auf die rasche Umsetzung moderner Sicherungssysteme – Stichwort Abbiegeassistent – zentrieren.
Tempo ist angesagt, sogar Höchstgeschwindigkeit. Allerdings nicht auf der Autobahn, sondern bei Maßnahmen gegen den Tod im Straßenverkehr.
Univ.-Prof. Prim. Dr. Reinhard Haller ist Psychiater, Psychotherapeut
und früherer Chefarzt des Krankenhauses Maria Ebene.
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.
Kommentar