A bissel Geschichte
„Ein Blödsinn, was Sie da reden.” Das ist kein Zitat aus einer Biertisch-Runde. ÖVP-Medienminister Blümel hat das vor Kurzen dem ZiB2-Moderator Martin Thür geantwortet. „Das ist etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann“, mit dieser unverhohlenen Drohung hat gerade FPÖ-Generalsekretär Vilimsky auf ihm unangenehme Fragen von ZiB2-Anchorman Armin Wolf reagiert. Attacken gegen ORF-Interviews sind ja nichts Neues. „Das kommt ohnehin noch zum Chef“, meinte ein genervter Landeshauptmann Pröll vor fast genau zwei Jahren, auch gegenüber Wolf, als ihn dieser zu Prölls Privatstiftung befragte. Man kann auch durch eine Serie patziger Antworten Kritik am Interviewer üben, wie der genervte frühere Grüne Johannes Voggenhuber, jetzt Spitzenkandidat der Liste „Jetzt“, ebenfalls bei Wolf.
„FPÖ-Obmann Strache hat derzeit alle Hände voll zu tun, sich von Nazi-Vergleichen durch Funktionäre der zweiten und dritten Ebene zu distanzieren.“
Was waren das noch für Zeiten, als Bruno Kreisky (im Februar 1981) dem ORF-Innenpolitiker Uli Brunner sein legendäres „Lernen`s a bissel Geschichte, Herr Reporter“ entgegen gegrantelt hat? Zehn Sekunden Grant – und das war´s.
Geplante Attacke?
Eineinhalb Jahre hat diese Regierung die politische Inszenierung und die „Message Control“ perfekt beherrscht, also den kontrollierten und im Gleichklang erfolgenden Auftritt der Regierungsmitglieder. Verlieren jetzt die Kontrollore die Kontrolle über sich selbst? Im Fall Blümel für einen kurzen Moment ja. Im Fall Vilimsky war das eher eine kalkulierte Attacke. Natürlich wusste er, dass Wolf ihn keineswegs zum Anlass der Einladung in die ZiB 2, die Europawahl, befragen würde und hatte seine Attacke auf Wolf (und den ORF insgesamt) schon vorher geplant. „Zur Mobilisierung der frühjahrsmüden Wähler ist eine tagelange Auseinandersetzung mit dem FPÖ-Feindbild perfekt“, analysierte PRESSE-Chefredakteur Nowak am Samstag zu Recht.
Was kommt als Nächstes?
Nur läuft die Geschichte jetzt aus dem Ruder. Vilimskys FPÖ-Kollegin Ursula Stenzel, nicht-amtsführende Wiener Stadträtin (und ehemals ZiB-Moderatorin), verglich Wolfs Fragen mit dem Volksgerichtshof der Nazis. Nun kann man darüber diskutieren, ob das Interview mit Vilimsky eines der besseren oder schlechteren war. Die NZZ etwa meinte: „Der vielgelobte Journalist hat hier keine publizistische Sternstunde inszeniert“, auch weil er der FPÖ die Gelegenheit geschenkt habe, sich als Opfer einer feindlichen journalistischen Gesinnung in Szene zu setzen.
Aber Stenzels Vergleich mit dem Volksgerichtshof ist der eigentliche Skandal. Zur Erinnerung: Dieser Gerichtshof hat über 5000 Todesurteile gegen Nazi-Gegner veranlasst. Für eine Verurteilung genügten das Abhören von Feindsendern, abwertende Bemerkungen über den Führer oder Zweifel am sogenannten Endsieg. Man möge sich auf YouTube die zynischen und menschenverachtenden Verhöre von Roland Freisler, Präsident des Gerichtshofs, ansehen, etwa der Widerstandskämpfer des 20. Juli. Dann sieht man, wie dumm und geschmacklos der Stenzel‘sche Vergleich ist.
FPÖ-Obmann Strache hat derzeit alle Hände voll zu tun, sich von Nazi-Vergleichen durch Funktionäre der zweiten und dritten Ebene zu distanzieren. Jetzt sind wir schon bei einem Mitglied der Wiener Stadtregierung. Wer kommt als Nächstes? Im Fall Stenzel aber gilt wirklich: „Lernen´s a bissel Geschichte!“
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
Kommentar