Zuwanderung ist europäisch

Vorarlberg / 20.05.2019 • 08:00 Uhr
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75 Prozent der Ausländer, die nach Vorarlberg ziehen, sind EU-Mitbürger.

SCHWARZACH Wie sehr Wahrnehmung und Wirklichkeit auseinanderklaffen, wenn es um Migration geht, erfährt August Gächter immer wieder. Der gebürtige Vorarlberger, der am Wiener „Zentrum für soziale Innovation“ arbeitet und sich mit dem Thema beschäftigt, ist viel auf Veranstaltungen in den Bundesländern unterwegs. Vor einigen Tagen habe er das Publikum in Oberösterreich um eine Schätzung gebeten, wie hoch der Einwandereranteil in der Bevölkerung sei. „Da sind Zahlen wie 40, 50 oder 60 Prozent gekommen“, so Gächter im Gespräch mit den VN. In der Steiermark sei es wenig später auch so gewesen. In Wirklichkeit seien in der Steiermark jedoch elf und in Oberösterreich 14 Prozent der Menschen im Ausland geboren. In Vorarlberg handelt es sich um überdurchschnittliche 19 Prozent. Überraschen können Gächter solche Diskrepanzen nicht. Die Politik leistet ihren Beitrag dazu. Der unlängst im Zuge der Ibiza-Affäre zurückgetretene Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) spricht von einem „Bevölkerungsaustausch“ und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) von einer „Massenmigration nach Europa“. Beides nährt ganz konkrete Vorstellungen.

Unmissverständliche Zahlen

In Österreich und in Vorarlberg ist es jedoch so: Migration ist zum größten Teil europäisch. 2015 war sie es infolge der Flüchtlingskrise nur leicht. Seither sind die Zahlen, die die Statistik Austria führt, jedoch wieder unmissverständlich: 2017 stammten 4354 bzw. drei Viertel der 5833 Ausländer, die zugewandert sind und sich in Vorarlberg niedergelassen haben, aus einem andern EU- oder einem EFTA-Land wie der Schweiz. Weitere 13 Prozent kamen aus einem europäischen Drittstaat, wie die übrigen Länder heißen. In Summe sind das 87 Prozent. Asien zugerechnet sind die insgesamt 252 Syrer, Afghanen und Iraker, die 2017 noch zugewandert sind. Ihr Anteil machte damit 4,3 Prozent aus. Die insgesamt 104 Afrikaner brachten es auf einen Zuwandereranteil von knapp zwei Prozent. Von daher gab es eine Normalisierung nach den Krisenzeiten, die sich vorerst weiterziehen dürfte; die Flüchtlingszahlen, die das FPÖ-geführte Innenministerium erhebt, gehen jedenfalls nach wie vor zurück. Die Migrationsstatistik für 2018 ist noch nicht veröffentlicht worden.

Deutsche, Rumänen, Ungarn

Die Zuwanderung von EU-Mitbürgern, die sich grundsätzlich frei bewegen und niederlassen dürfen, wird naturgemäß weniger bemerkt, so Gächter: „Im Unterschied zu Flüchtlingen werden sie nicht gleich an der Grenze gefilmt und dann im Fernsehen präsentiert.“ Abgesehen davon ist ein großer Teil gesellschaftlich vertrauter: Die mit Abstand größte Zuwanderergruppe bildeten auch 2017 mit 1415 Frauen, Männern und Kindern Deutsche, gefolgt von Rumänen (639) und Ungarn (536). „Vielfach sind das Leute mit einer Ausbildung, die in Gastronomie, im Handel oder auf Baustellen tätig sind.“

Zuwanderung ist europäisch

Direkt einfach nur ins Sozialsystem zuwandern könnten sie nicht, wie Gächter einer politisch motivierten Darstellung entgegentritt: EU-Bürger bräuchten in einem anderen EU-Land zunächst eine Anmeldebescheinigung. Und diese gebe es nur, wenn einem der Nachweis gelingt, dass man den eigenen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann.