Rosis letzter Weg

Vorarlberg / 22.05.2019 • 18:50 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Rosi mit ihrem Freund Karate-Klaus. Er bedeutete ihr sehr viel.
Rosi mit ihrem Freund Karate-Klaus. Er bedeutete ihr sehr viel.

Eine bekannte Stadtstreicherin wurde gestern zu Grabe getragen.

Bregenz Sie gehörte viele Jahre zum Stadtbild von Bregenz: Rosi Matt, die bekannteste Stadtstreicherin der Landeshauptstadt. Die obdachlose Frau fiel auf, auch weil sie sich immer grellbunt kleidete. Vor allem die Farbe Pink und Leggings hatten es ihr angetan. Oft trug Rosi das Haar wie Pippi Langstrumpf. War ihre Frisur, die sie mit verspielten Haarmaschen und bunten Spangen aufhübschte, womöglich ein Hinweis auf ihre kindliche Seele? Diese wurde jedenfalls früh verletzt. Denn Rosi, die in der Schweiz geboren wurde und dort auch aufwuchs, war noch sehr klein, als sie beide Elternteile verlor. Nach dem Tod der Eltern kam das Mädchen in die Obhut einer Tante. Bereits als Jugendliche litt Rosi unter Depressionen. Diese brachten sie in die Psychiatrie. Ganze 17 Jahre verbrachte die psychisch kranke Frau in einer Nervenheilanstalt. Vielleicht erklärt sich so, dass ihr nach der Entlassung aus der Klinik nichts wichtiger war als ihre Freiheit.

Die freiheitsliebende Frau nächtigte oft unter freiem Himmel, nicht selten auf der Stiege des Kapuzinerklosters. Dort wurde Rosi auch mit Essen und Kleidung versorgt. „Hunger habe ich auf der Straße keinen gelitten. Es gab viele gute Menschen“, sagte sie einmal zu einer Altenpflegerin, die sie im Pflegeheim Gaißau betreute. Manche nahmen die unstete Frau sogar mit nach Hause, badeten sie und kleideten sie frisch an.

Rosi sprach im Altersheim nicht viel über das Leben auf der Straße. Aber man kann sich vorstellen, dass es für sie nicht leicht war, dort zu überleben, schon gar nicht als Frau. Einmal ließ sie anklingen, dass sie mehrfach sexuell missbraucht wurde. Rosi hatte keinen Beschützer. Ihr langjähriger Freund „Karate-Klaus“ war nicht besonders gut zu ihr. Er soll ihr Geld abgenommen und sie sogar aus dem Wohncontainer, den ihr die Stadt zur Verfügung gestellt hatte, vertrieben haben. Mit Nylontaschen, in denen sie ihre wenigen Habseligkeiten verstaut hatte, und mit Karate-Klaus, der wie sie obdachlos war, zog Rosi durch die Straßen, nächstens oft lautstark streitend und angetrunken. Auf ihre Alkoholsucht angesprochen, meinte sie einmal: „Das Heimweh ist wie ein Stein in meinem Herzen. Nur mit dem Alkohol wird es etwas leichter.“ Rosi, die Schlagermusik mochte, litt zeitlebens unter „Heimweh“. In Wahrheit sehnte sie sich nach der Geborgenheit einer Familie und sicherlich auch nach ihrem einzigen Kind, das in einer Pflegefamilie aufwuchs.

„Klaus war mein Ein und Alles“

Rosis einziger Halt war Karate-Klaus. Er war, wie sie einmal sagte, „mein Ein und Alles“. Hilfreich zur Seite stand ihr immer der Verein Dowas, der sich für wohnungssuchende Menschen einsetzt. Er war eine wichtige Anlaufstation für sie. Als die Stadtstreicherin gebrechlich wurde, veranlasste der Verein die Unterbringung in einem Pflegeheim. Ihre letzten neun Lebensjahre verbrachte Rosi im Pflegeheim Gaißau. Die selbstbestimmte und freiheitsliebende Frau brauchte eine Weile, um sich dort zurechtzufinden. Aber dann wurde das Heim zu ihrem Zuhause. Sie fand dort Freunde. Auch das Personal kümmerte sich liebevoll um sie. Es wusste, dass man ihr mit Kuscheltieren, T-Shirts mit Mickey-Mouse-Motiven und Ausflügen nach Bregenz eine Riesenfreude machen konnte.

Zuletzt war Rosi auf den Rollstuhl angewiesen, weil ihr aufgrund einer Diabetes-Erkrankung beide Füße amputiert worden waren. Die 78-Jährige starb, noch bevor man ihr ihren letzten Wunsch erfüllen konnte: ein Kaffeehausbesuch in Bregenz. Das Pflegepersonal war bemüht, sie so auf ihre letzte Reise zu schicken, wie sie es gewollt hätte. Mithilfe einer roten Spange band man ihr Haar zu einem Pferdeschwanz. Dann zog man ihr die Leggings an und einen farbenfrohen, kuschelig-warmen Pullover. Denn Rosi fror immer, zeit ihres Lebens.

 

*Der Artikel basiert auf einer Facharbeit von Sabrina Heinrich. Sie schrieb die Arbeit über Rosi Matt im Rahmen der Ausbildung zur Fachsozialbetreuerin in Altenarbeit an der SOB-Bregenz.

So bleibt Rosi Matt vielen in Erinnerung. Nach Jahren in der Psychiatrie verschlug es die gebürtige Schweizerin nach Bregenz. Dort lebte sie viele Jahre auf der Straße.
So bleibt Rosi Matt vielen in Erinnerung. Nach Jahren in der Psychiatrie verschlug es die gebürtige Schweizerin nach Bregenz. Dort lebte sie viele Jahre auf der Straße.