Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Weg mit Neuwahlen

Vorarlberg / 24.05.2019 • 17:59 Uhr

Böse Zungen behaupten, die ÖVP habe Pech mit ihren Koalitionspartnern: Ständig sei sie zu Neuwahlen gezwungen. 1995, 2008 und 2017 seien die Sozialdemokraten schuld gewesen, 2002 und 2019 die Freiheitlichen. Selbstverständlich muss man dem entgegenhalten, dass das „Ibiza-Video“ jetzt aber wirklich gezeigt hat, dass die Freiheitlichen nicht regierungstauglich sind. Andererseits: Hatten die rechtsextremen Ausfälle und die Bösartigkeiten gegenüber Menschen fremder Staatsbürgerschaft nicht schon gereicht, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen? War vieles davon nicht absehbar?
Aber wo: Natürlich war es absehbar. Wie dominierend deutschnationale Burschenschafter an der Seite von Heinz-Christian Strache waren, ist etwa in einem eigenen Buch nachzulesen, das 2017 erschienen ist („Stille Machtergreifung“ von Hans-Henning Scharsach).

„Genug ist Genug: Politikern gehört dieses ewige Taktieren in eigener Sache ausgetrieben.“

Insofern war es schon bemerkenswert, wie atemlos Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am vergangenen Samstagabend in wenigen Minuten die Koalition auf- und Neuwahlen ankündigte sowie die ÖVP-Kampagne eröffnete, indem er Freiheitlichen attestierte, es nicht zu können und Sozialdemokraten, für Stillstand zu stehen. Kein Wort der Selbstkritik, stattdessen nur eine Zielvorgabe: Beim Urnengang müsse die Volkspartei gestärkt werden.

Zu sehr Parteipolitiker

Gut möglich, dass der Kanzler in den Tagen darauf gemerkt hat, dass er da zu sehr als Partei- und zu wenig als Staatsmann aufgetreten ist. Er bemühte sich jedenfalls, das zu korrigieren und auf die Opposition zuzugehen. Wenn es dafür nur nicht zu spät war; schon am Montag wird sich das weisen, wenn im Nationalrat über einen Misstrauensantrag gegen ihn abgestimmt wird. Wobei man sich nichts vormachen soll: Auch Sozialdemokraten und Freiheitliche, die zusammen eine Mehrheit hätten, werden parteitaktische Überlegungen in die Waagschale werfen. Zu behaupten, sie stünden über den Dingen, wäre absurd.

Immer wieder von vorne

Doch wie geht’s dann weiter? So oder so werden wir im September wählen, wird es neue Mehrheitsverhältnisse geben und das ganze Spiel wieder von vorne losgehen. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hat zwischendurch schon wissen lassen, dass man in der Politik niemals nie sagen dürfe, also auch eine Fortsetzung von Schwarz-Blau möglich sein könnte. Wie 2002, als das kaum noch jemand erwartet hatte.

Ja, auch in diesem Zusammenhang kann man feststellen: „Genug ist genug!“ Politikern gehört dieses ewige Taktieren in eigener Sache ausgetrieben. Nach norwegischem Vorbild zum Beispiel: Dort wird alle vier Jahre gewählt. Und basta. Vorzeitige Urnengänge gibt es nicht.
Wenn Koalitionen platzen, müssen die Akteure um neue Mehrheiten auf parlamentarischer Ebene ringen. Und Punkt. Wobei das Beste ist: Es funktioniert! Und wie: Kaum ein Land steht so gut da wie Norwegen. Auf dem weltweiten Demokratie-Index befindet es sich sogar auf Platz eins.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.