“Mama hätte sich eine andere Beerdigung gewünscht”

Wegen der Pandemie waren Verabschiedungen in den vergangenen Wochen nur im kleinsten Kreis möglich.
Hörbranz Die Kirchenglocken läuten zur Verabschiedung von Erna. Die 95-jährige Hörbranzerin verstarb nach langer Krankheit. Nur ein Häuflein Menschen hat sich vor dem Grab mit der Urne und den frischen Blumen versammelt. Die Trauergäste sind schnell gezählt: Es sind 13 Personen, darunter Witwer Hubert (91) und dessen Kinder Maria (65) und Gerhard (61).
Fast alle halten Abstand voneinander und tragen Maske. Auch der Pfarrer kommt mit einem Mund- und Nasenschutz. Er findet schöne Worte für die Verschiedene. „Man könnte über Erna viele Geschichten erzählen. In Erinnerung bleiben wird uns ihre positive und menschenfreundliche Art.“ Erna ist für den Geistlichen keine Unbekannte. Roland Trentinaglia (72) kannte sie 35 Jahre lang und ging bei ihr ein und aus. „Was wir miteinander gelacht haben. Sie war ein unglaublich lebensfroher und gastfreundlicher Mensch.“ Auch ihr Engagement für die Kirche beeindruckte den Seelsorger. „Erna hat sich zehn Jahre lang um die Kirchenwäsche gekümmert.“ Jetzt, an ihrem Grab, hat er das Gefühl, „dass ein Stück von mir selbst weggegangen ist“.
Rote Rosen für Erna
Der Pfarrer stimmt das Vaterunser an und anschließend das Gegrüßet seist Du Maria. Die Trauergesellschaft singt geschlossen mit. Plötzlich hat man kurzzeitig das Gefühl, als ob man – unter freiem Himmel – einem Beerdigungs-Gottesdienst beiwohnen würde. Emotionen bleiben allerdings hinter den Masken verborgen. Als Ernas Mann Hubert (91) die Urne ins Grab versenkt und eine rote Rose dazulegt, fließen aber Tränen. Sohn Gerhard schiebt die Maske hoch, schnäuzt sich die Nase und trocknet seine nassen Augen mit einem Taschentuch.
“Erna und ich waren 67 Jahre zusammen. Man ist einsam, wenn die andere Hälfte fehlt.”
Witwer Hubert
Seinem Vater war es ein großes Anliegen, die Urne selbst ins Grab zu geben. Damit erwies er seiner Frau einen letzten Liebesdienst. „Ich habe Erna tausend Mal zu Bett gebracht. Nun lege ich sie zum letzten Mal schlafen.“ Tochter Maria (65) zollt ihrem Vater Respekt für das, was er in den letzten Jahren geleistet hat. „Papa hat unsere kranke Mama jahrelang betreut. Erst als er selbst gebrechlich wurde und nicht mehr konnte, gab er die Pflege ab.“ Der Witwer wirkt gefasst. Doch in seiner Seele schaut es anders aus. „Erna und ich waren 67 Jahre zusammen. Man ist einsam, wenn die andere Hälfte fehlt.“
Nach der kurzen, höchstens eine halbe Stunde dauernden Beisetzung verstreut sich die Trauergemeinde schnell. Jeder geht zu sich heim, weil man wegen der Ansteckungsgefahr nicht zusammenkommen und das Totenmahl auch aufgrund der geschlossenen Gasthäuser nicht stattfinden kann. „Ich wäre sehr gerne eingekehrt. Es wäre schön gewesen, wenn wir gemeinsam essen gehen hätten können. Ich hätte gerne mit den Verwandten geredet,“ bedauert Maria die Umstände. Diese Beerdigung entsprach in keiner Weise dem, was sich ihre Mutter gewünscht hätte. Da ist sich Maria sicher. „Meine Mama hätte ein großes Fest gewollt. Sie war ein Gesellschaftsmensch und hat die Feste gefeiert, wie sie fielen, mit Gesang und Wein.“