Wahlbetrug?
In den vergangenen 25 Jahren sind die Gemeindewahlen in der Stadt Bludenz insgesamt dreimal beim Verfassungsgerichtshof angefochten worden, davon zweimal erfolgreich. Das ist durchaus bemerkenswert, denn die klare Mehrheit der Wahlanfechtungen scheitert sonst üblicherweise beim Höchstgericht.
„Im Mittelpunkt der Untersuchungen der Strafjustiz stehen einmal mehr Anträge auf Ausstellung von Wahlkarten“
Bei der Stichwahl um den Bürgermeister vor knapp zwei Wochen ist es erneut zu „Unregelmäßigkeiten“ gekommen. Laut einem Medienbericht wird dies voraussichtlich keine Konsequenzen haben, da beide Kandidaten auf eine Anfechtung der Wahl verzichten wollen.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen der Strafjustiz stehen einmal mehr Anträge auf Ausstellung von Wahlkarten. Diesmal besteht der Verdacht, dass Unterschriften gefälscht wurden. Personen, die sich in das Wahllokal begeben hatten, mussten dort erfahren, dass auf ihren Namen bereits Wahlkarten ausgestellt worden waren. Wenn man ihnen nicht unterstellt, dass sie zweimal wählen wollten (was strafbar wäre), kann dies nur bedeuten, dass die Unterschriften auf den Wahlkarten und/oder den Wahlkartenanträgen gefälscht wurden. Das ist übrigens der wesentlich schlimmere Tatvorwurf als das berüchtigte „Wahlkartenservice“ vor fünf Jahren, das zur Aufhebung der Bürgermeisterwahl führte. Damals wurden von verschiedenen Personen im Umfeld der ÖVP Wahlkarten in (vermeintlicher) Vertretung beantragt, ohne dass jedoch irgendwelche Unterschriften gefälscht wurden. Der aktuelle Fall könnte ein glatter Wahlbetrug sein und muss daher mit mindestens derselben Akribie untersucht werden wie der Vorfall vor fünf Jahren.
Das Vorkommnis ist übrigens geeignet, die Briefwahl wieder einmal in ein schiefes Licht zu bringen, nachdem sie gerade gegenwärtig für die ordnungsgemäße Abwicklung von Wahlen unentbehrlich geworden ist. Für die Gegner dieser zeitgemäßen und bequemen Form des Wählens sind Vorkommnisse wie in Bludenz eine gute Gelegenheit, die Briefwahl infrage zu stellen. Und die Befürworter der Briefwahl müssen sich eingestehen, dass nicht nur in Kasachstan, Moldawien oder der Türkei Unregelmäßigkeiten bei Wahlen auftreten. Daher ist es umso wichtiger, dass die Justiz hier einen strengen Maßstab anlegt, um weitere „Unregelmäßigkeiten“ in Zukunft zu verhindern.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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