Katrin, der hübscheste Engel im Himmel

Vorarlberg / 02.12.2020 • 08:00 Uhr
Katrin, der hübscheste Engel im Himmel
Katrins Lachen bleibt vielen unvergessen. VALISA PHOTOGRAPHY

Katrin Sandrell litt an einer Erbkrankheit. Im vergangenen Jahr verstarb das dreijährige Mädchen. Seine Familie hat das Kind viel gelehrt.

Gaschurn Nadine Loretz (31) verlor zwei ihrer liebsten Menschen an die Erbkrankheit Morbus Leigh. Diese zerstört das Stammhirn. Wer daran leidet, wird nicht alt. Die Lebenserwartung beträgt nur wenige Jahre.

Die Silbertalerin war 17, als ihr Bruder Marcel zuhause, in den Armen seiner Mutter, starb. Er wurde nur 13 Jahre alt. Nadine liebte ihren kleinen Bruder über alle Maßen. „Er war mein ein und alles.“ 13 Jahre später wiederholte sich das Schicksal. Nadine musste im vergangenen Jahr ihre dreijährige Tochter Katrin zu Grabe tragen. „Warum passiert mir das zweimal im Leben? Ich würde gern den Sinn verstehen.“  

Schlechte Nächte, gute Tage

Katrin kam scheinbar gesund auf die Welt. Im Alter von zehn Monaten begann sich die Krankheit bemerkbar zu machen. „Ihr war übel. Sie erbrach sich oft.“  Als Nadine mit Amrei im zweiten Monat schwanger war, erfuhr die werdende Mutter, dass Katrin an dieser Erbkrankheit leidet. „Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätten mein Mann und ich kein Kind mehr gezeugt.“

“Katrin war immer gut aufgelegt und hat viel gelacht. Es baute mich auf, wenn sie mich anlächelte.”

Vater Michael Sandrell

Mit ihrer kranken Tochter ging es kontinuierlich abwärts. Als sie ein Jahr alt war, konnte sie nur mehr über eine Magensonde ernährt werden. Zuletzt konnte das Kleinkind nicht einmal mehr seinen Kopf halten. Immer öfter hatte es Phasen, in denen es keine Luft bekam. Vor allem in der Nacht litt das Kind und mit ihm seine Eltern Nadine und Michael. Aber Katrin hatte auch gute Tage. „Dann haben wir mit ihr etwas unternommen, sind mit ihr ins Schwimmbad, Wandern, Fahrradfahren und Skifahren gegangen.“  

Trotz seiner Krankheit war das Kind zufrieden und glücklich. „Katrin war immer gut aufgelegt und hat viel gelacht. Es baute mich auf, wenn sie mich anlächelte“, erinnert sich ihr Vater Michael Sandrell (39) an die besondere Ausstrahlung seiner Tochter.  Auch der Patentante bleibt Katrins Lachen unvergessen. Bianca schrieb einen Abschiedsbrief an ihre Patentochter und las ihn bei der Beerdigung vor. Er rührte die Trauergäste zu Tränen. „Ich habe mir schon ausgemalt, wie wir in Zukunft tanzen gehen. Deshalb habe ich mein zu klein gewordenes Ballkleid nicht aussortiert, weil ich mir gedacht habe, wie toll es zu deinen roten Haaren aussehen würde und wie du damit wie ein Engel über die Tanzfläche schweben würdest“, rezitierte Bianca in der Kirche unter Tränen.

Der große Bruder geht auf den Friedhof

Jetzt hat sich Katrin unter die Engel im Himmel gemischt. Mutter Nadine ist überzeugt: „Sie ist dort sicher der hübscheste Engel.“ Nach ihrem Tod zog ihr ihre Mama das schönste Kleid an und machte ihr mit der schönsten Haarspange eine Frisur. „Unser Sohn Georg hat mir geholfen, sie herzurichten.“ Georg hing sehr an seiner kleinen Schwester. „Er tat alles für sie. Er hat mit ihr gespielt, sie bespaßt und sie überallhin mitgenommen.“ Georg hat Katrins Spielzeug in seinem Zimmer deponiert. Es erinnert ihn an sie. „Nach der Schule geht unser Bub immer zu ihrem Grab“, zeigt Nadine auf, wie tief die Beziehung zwischen Bruder und Schwester war.

Katrin war ein fröhliches und ausgeglichenes Kind.
Katrin war ein fröhliches und ausgeglichenes Kind.

Katrin lebte nur dreieinhalb Jahre. Aber das Kind lehrte seine Familie viel, nicht nur in Sachen Liebe. „Katrin brachte mir bei, das Leben zu schätzen“, sagt Michael. Seine Lebensgefährtin hakt ein: „Man kann so schnell sterben. Wenn man das weiß, lebt man viel bewusster und intensiver.“

Die Eltern sind dankbar, dass Katrin da war, obwohl ihre Krankheit und ihr früher Tod viel Leid über die Familie brachten. „Mit der Zeit ist es mit dem Schmerz besser geworden. Aber am Anfang war es so schlimm, dass ich dachte, ich drehe durch“, macht Michael klar, wie sehr ihn der Verlust der Tochter traf. Gegen die Trauer ist keiner gefeit. „Sie kommt unvermutet und in Wellen. In diesen Momenten ist man untröstlich“, sagt Nadine. Aber sobald der Traueranfall wieder vorbei ist, denkt sie sich: „Katrin hatte bei uns ein schönes Leben. Wenn sie älter geworden wäre, wäre die Krankheit noch ärger geworden. Ihr ist viel Leid erspart geblieben. Das erleichtert mir das Loslassen.“  

Ein Foto aus dem Familienalbum. Ganz links Katrin. Sie starb am 30. August 2019. <span class="copyright">Marita Bitschnau</span>
Ein Foto aus dem Familienalbum. Ganz links Katrin. Sie starb am 30. August 2019. Marita Bitschnau