Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Schuldzuweisungen

Vorarlberg / 22.07.2021 • 22:23 Uhr

Als vor einigen Wochen die 13-Jährige Leonie vermutlich von afghanischen Asylwerbern getötet wurde, waren Schuldzuweisungen schnell zur Stelle: Immerhin lief gegen einen der mutmaßlichen Täter schon seit Jahren ein Verfahren zur Aberkennung seines Status als subsidiär Schutzberechtigter beim Bundesverwaltungsgericht, das Gericht hatte aber noch nicht entschieden. Weil es politisch verlockend ist, die Schuld einer Verwaltungsbehörde anzulasten, kamen in der Folge ausgerechnet von Gruppen, die sonst jede Außerlandesbringung skandalisieren, geradezu verwegene Ideen, wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Afghanen trotz seines laufenden gerichtlichen Verfahrens hätte abschieben können.

Nach dem Hochwasser von Hallein gibt es ähnliche Reaktionen: Die Verbauung des übergelaufenen Baches war schon seit Jahren avisiert, aber vom Salzburger Naturschutzbund durch Rechtsmittel verzögert worden. Die Gerichte hatten hier recht zügig entschieden. Vor wenigen Wochen hatte der Verwaltungsgerichtshof die außerordentliche Revision abgewiesen. Jedoch zu spät, um das Vorhaben noch in diesem Sommer realisieren zu können. Der angegriffene Naturschutzbund wehrt sich: Es wäre eine viel umweltschonendere Variante möglich gewesen, wenn nicht ein Grundeigentümer seine Zustimmung verweigert hätte. So sei eigentlich nichts anderes übrig geblieben als das vorliegende Projekt zu bekämpfen.

Auch eine Umweltschutzorganisation sollte jedoch Rechtsmittel mit Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein einbringen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen die gut begründete Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts war nämlich geradezu offenkundig aussichtslos und hat eine, wie sich gezeigt hat, sinnvolle Baumaßnahme unnötig um ein Jahr verzögert. Sich auf einen Grundeigentümer hinausreden, der eine bessere Alternative verhindert haben soll, ist billig.

Gemeinsam ist beiden Fällen, dass die Politik reflexartig verlangt, Verfahren zu verkürzen und Beschwerderechte zu beschneiden. Nachdem im Falle von Hallein das Mitwirkungsrecht des Naturschutzbundes letztlich auf EU-Recht zurückzuführen war, kann man dies allerdings vergessen. Überhaupt ist es keine gute Idee, Rechtsschutz einzuschränken. Besser wäre es, einerseits für eine ordentliche Ausstattung der Gerichte zu sorgen und andererseits mit rein taktisch motivierten, aussichtslosen Rechtsmitteln einen kurzen Prozess zu machen. Beides würde Verfahren effektiv und ohne qualitative Einbußen beschleunigen.

„Überhaupt ist es keine gute Idee, Rechtsschutz einzuschränken.“

Peter Bussjäger

peter.bussjaeger@vn.at

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.