Vorarlberg will mit Giga-Kraftwerk in Energiewende

EU-Vertragsverletzungsverfahren vom Tisch: Kein Ausverkauf des Wassers – Batterie für Deutschland: Illwerke VKW prüft mutige Kraftwerks-Pläne.
Von Gerold Riedmann, VN-Chefredakteur
BREGENZ Insgesamt 3,7 Gigawatt kann Österreich derzeit an sogenannter Regelenergie bieten. Vielen Vorarlbergern ist das System durch die Großkraftwerke Kops II und Obervermunt II bekannt: sie erzeugen Strom, wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint – und pumpen, wenn zuviel Strom in Netzen verfügbar ist, das Wasser wieder in das Staubecken hoch. Bald könnte es mehr davon geben.
Bisher kooperieren die Illwerke eng mit dem deutschen Energiekonzern EnBW. Die beiden in den Montafoner Bergen versenkten Anlagen wurden mit All-Parteien-Beschlüssen im Landtag goutiert. Doch sie produzieren “nur” 800 Megawatt. Das eröffne Chancen, man wolle den Weg aber weiterhin gemeinsam gehen. “Aus Sicht des Landes und der Illwerke VKW ist bei einer kommenden Weichenstellung für neue Projekte die bisherige Einstimmigkeit weiterhin anzustreben”, sagt Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP).
Kein Ausverkauf des Wassers
Da kam eine gute Nachricht aus Brüssel gerade zum richtigen Zeitpunkt, wie die VN exklusiv in Erfahrung bringen konnten. Am 23. September, vermerkt der Eingangsstempel im Landhaus, wurde der Brief aus Brüssel zugestellt. Die EU-Kommission vertritt nicht mehr die Ansicht, dass die Wassernutzung eine Dienstleistung sei und dass eine solche Dienstleistung EU-weit ausgeschrieben werden müsse. Der damalige Plan wurde in Vorarlberg harsch kritisiert. Italienische Energiekonzerne hatten darauf gedrängt, dass die seit Jahrzehnten betriebenen Wasserkraftwerke auch in Vorarlberg bei Verlängerungen der wasserrechtlichen Bewilligung EU-weit ausgeschrieben werden müssten. “Es wäre ja noch schöner gewesen, dass italienische Konzerne unsere Vorarlberger Wasserkraftwerke betreiben”, sagt Landeshauptmann Markus Wallner in einer ersten Reaktion. Landesrat Johannes Rauch (Grüne) sagte damals: “Das sind Profitinteressen von ein paar Großkonzernen. Dem ist mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten”.

Die Angst vor dem Ausverkauf des Wassers und das Vertragsverletzungsverfahren sind somit vom Tisch – und für zukünftige Wasserkraft-Projekte besteht Rechtssicherheit. Für das Vermuntwerk konnte die Wassernutzung gerade auf weitere 90 Jahre abgeschlossen werden, für das Obervermunt- und die Rodundwerke werden die Verlängerungen für kommendes Jahr erwartet.
Projektüberlegungen
“Damit ist der Weg frei für einen breit angelegten Ausbau der klimafreundlichen Wasserkraft”, sagt Markus Wallner. Auf dem Markt der durch Wind- und Solarkraft zum Ausgleich benötigten Regelenergie will Vorarlberg konkrete Pläne vorstellen, bestätigt der Landeshauptmann im VN-Interview und fügt hinzu: “wir stellen durchaus Überlegungen an, das Thema nicht nur für Vorarlberg in Angriff zu nehmen. Vorarlberg könnte durch seine Topographie im Europäischen Konzert der Energiewende eine gewisse Rolle spielen.”
Im Aufsichtsrat der Illwerke VKW wurden vorige Woche Studienergebnisse präsentiert, wie Vorarlberg seine Möglichkeiten stärker nutzen könnte. Konkret geht es um ein Pumpspeicher-Kraftwerk, das mit 1000 Megawatt zum größten Wasserkraftwerk Österreichs werden soll. “Es ist nicht vorgesehen, neue Staubecken zu bauen, sondern im Rahmen und Umfeld der bestehenden Anlagen und Kraftwerksgruppen zu arbeiten”, so Landeshauptmann Wallner. Zu weiteren Details und der konkreten Lage des Projektes verwies Wallner auf Gespräche mit den Parteiobleuten aller Landtagsparteien und unmittelbar bevorstehende Ankündigungen der Illwerke VKW.

Milliardeninvestitionen
Die ersten Schätzungen für ein solches Kraftwerksprojekt, das nicht vor 2030 ans Netz gehen könnte, übersteigen die Milliardengrenze. Bei Obervermunt II wurden 50 Prozent der Errichtungskosten von 500 Millionen Euro durch die Illwerke VKW getragen, 50 Prozent mit Hilfe einer Landeshaftung am Kapitalmarkt finanziert. “Die Illwerke VKW sind Profis im Kraftwerksbau, ich habe das Vertrauen, dass sie das technisch können – und dass ein Großprojekt finanzierbar wäre. Die Voraussetzungen für eine Großinvestition sind gut wie nie”, so Wallner.

Batterie für Deutschland
Vorarlberg könnte seinen Regelstrom dann direkt am deutschen Markt platzieren und so die Energiewende aktiv mitgestalten. Nun gilt es für die Entscheidungsträger abzuschätzen, ob es bis 2030 und in den weiteren Jahrzehnten der Nutzung andere Möglichkeiten geben wird, Energiespitzen auszugleichen – oder ob den Regelkraftwerken weiterhin diese Bedeutung zukommt. Zahlreiche Unternehmen arbeiten daran, mit Speicherung und Rückführung von Energie mit vernetzten Elektroautos ähnliche Effekte zu erzielen.
Die Energieversorger-Vorstände Christof Germann und Helmut Mennel wollen die Illwerke VKW als “bauende Gesellschaft” sehen – und auf das aufbauen, was der heutige Aufsichtsratsvorsitzende Ludwig Summer mit Kops II begonnen hat.