Krieg am Straßenstrich: “Wir hatten Chicago in Vorarlberg”

Das Buch “Rotlicht: Blutiges Milieu in Vorarlberg” vom Dornbirner Lokalhistoriker Sigi Schwärzler befasst sich mit der Zeit, als Straßenprostitution und Rotlichtkriminalität in Vorarlberg überhandnahmen.
Dornbirn Vorarlberg war einmal ein richtig heißes Pflaster. Die Zuhälterei- und Prostitutionskriminalität war in Vorarlberg zwischen 1975 und 1995 höher als in jedem anderen Bundesland. „Das Ländle war in Sachen Rotlichtkriminalität der Hotspot in Österreich. Wir hatten Chicago in Vorarlberg. Die Kriminalstatistik weist in dieser Zeit 29 Mordanschläge aus. Davon waren 16 ,erfolgreich‘“, berichtet Sigi Schwärzler.
Der Dornbirner Lokalhistoriker hat ein Buch über die Milieukriminalität und den Krieg am Straßenstrich geschrieben. Die Recherche war aufwendig. Schwärzler, der auch schon Bücher über Wilderer und Schmuggler geschrieben hat, studierte Gerichtsakten und sprach unter anderem mit ehemaligen Zuhältern, Prostituierten und Kriminalbeamten. Herausgekommen ist ein 200 Seiten starkes Werk, das sich wie ein Krimi liest, ein brutaler und blutiger Krimi.

Ab dem Jahr 1975 stiegen die Straßenprostitution und damit einhergehend die Milieukriminalität in Vorarlberg explosionsartig an. Bis zu 300 „Bordsteinschwalben“, die von 100 Zuhältern „betreut“ wurden, bevölkerten den illegalen Straßenstrich oder gingen in diversen Geheimbordellen zwischen Bregenz und der Schweizer Grenze dem horizontalen Gewerbe nach. Die leicht bekleideten Frauen gehörten damals zum Straßenbild – unter anderem boten sie ihre Dienste entlang der „Goldmeile“ (Betonstraße L 202) an. In Vorarlberg waren die Städte Bregenz und Feldkirch sowie die Gemeinden Höchst, Fußach, Gaißau und Hard Hotspots der Straßenprostitution und Rotlichtkriminalität.
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Immer wieder kam es zwischen rivalisierenden Zuhälterbanden zu schweren Auseinandersetzungen. „Jede Gruppierung wollte die Vorherrschaft. Es herrschte zeitweise Krieg am Straßenstrich. 1978 wurde zum Beispiel in Lustenau ein 24-jähriger Zuhälter in Wildwestmanier aus dem fahrenden Auto heraus erschossen“, berichtet Schwärzler. Sprengstoffattentate, Messer, Pistolenkugeln, Handgranaten und Erwürgen – das Repertoire an Tötungsmethoden habe beinahe nichts ausgelassen. Schwärzler: „Elf Zuhälter und fünf Dirnen wurden zwischen 1976 und 2000 ermordet, für einen Prostituierten-Mord war der berüchtigte Serienmörder Jack Unterweger verantwortlich.“

Dass in Vorarlberg die Milieukriminalität und die Straßenprostitution damals derart ausuferte, ist kein Zufall. Es hing unter anderem mit der strafrechtlichen Liberalisierung des Landstreichergesetzes (1975) zusammen. „Bis zur Strafrechtsreform 1975 konnten Zuhälter zu unbedingten Freiheitsstrafen verurteilt und in ein Arbeitslager gesteckt werden. Diese Möglichkeit der Bestrafung fiel durch die Gesetzesreform weg.“
Die geografische Nähe zu Deutschland und zur Schweiz bewirkte, dass die Straßenprostitution in Vorarlberg besonders exzessiv ausgeübt wurde. Denn hier war das Geschäft mit dem Sex lukrativer als zum Beispiel in Ostösterreich. „Viele Freier kamen aus der Schweiz und aus Deutschland. Sie zahlten in Franken und Mark und löhnten für einen Sexualkontakt im Auto mehr als die österreichischen Kunden.“ Das zog Strizzis aus Ostösterreich samt ihren Sexarbeiterinnen nach Vorarlberg. „Im Kampf um Macht und Moneten lieferten sich heimische Zuhälter sowie Stenze aus Ostösterreich gnadenlose Revierkämpfe. “
Straßenstrich verlagerte sich in Wohnungen
Die Zeiten der Zuhälterkriege ist – zumindest nach außen hin – in Vorarlberg vorbei. Heute ist es im Vorarlberger Milieu ruhig geworden. In Schwärzlers Buch heißt es: „Nach jahrelangen, massiven Anstrengungen konnten Exekutive und Justiz Anfang der 1990er-Jahre den Sumpf des Verbrechens trockenlegen und durch hartes Durchgreifen gegen die Rotlichtkriminalität mit dem Straßenstrich aufräumen.“ Der Buchautor räumt ein, dass sich der ehemalige Straßenstrich in Wohnungen verlagert hat und die Damen heute ihre Kunden über Inserate und Internet akquirieren. Schwärzler: „Es kursieren Gerüchte, wonach rund hundert illegale Bordelle im Land existieren. Geblieben ist die Hintertür: Prostitution getarnt als Begleitservice oder Tabledance, Massagesalons, Saunas und harmlos beschilderte Cafés. Ins Land geschleppte Bulgarinnen und Rumäninnen werden als ,Gäste‘ in einschlägig bekannte Lokale gesetzt und warten auf Freier. Am Nebentisch wacht der Zuhälter über etliche illegale Prostituierte, denen ursprünglich versprochen wurde, in Österreich in der Gastronomie unterzukommen.“
Sigi Schwärzler stellt am 29. Oktober (ab 20 Uhr) im ORF Dornbirn sein Buch “Rotlicht: Blutiges Milieu in Vorarlberg” vor. Bitte vorher anmelden, Tel. 05572/301.
